TV-Tipp: "Die Verführung – Das fremde Mädchen" (Sat.1)
Die Bilder wirken malerisch, doch man spürt von Anfang an, wie trügerisch die vermeintlich idyllische Zweisamkeit ist. Man ahnt, dass was passieren wird; man weiß nur nicht, wem, wann und wie.
11.02.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Verführung – Das fremde Mädchen", 15. Februar, 20.15 Uhr auf Sat.1

Die Bilder wirken malerisch, doch man spürt von Anfang an, wie trügerisch die vermeintlich idyllische Zweisamkeit ist. Manuel und Viktoria wirken wie das perfekte Paar, aber die lauernde Musik von Steffen Kaltschmid und Fabian Römer vermittelt eine ganz andere Botschaft: Man ahnt, dass was passieren wird; man weiß nur nicht, wem, wann und wie. Es nützt auch gar nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, denn es kommt ohnehin jedes Mal anders, als man denkt: Carl-Christian Demke hat seine Geschichte so clever konstruiert, Hannu Salonen hat sie derart raffiniert umgesetzt, dass man von den Wendungen der Handlungen immer wieder überrumpelt wird.

Alles beginnt harmlos

Dabei beginnt alles ganz harmlos: Manuel (Christoph M. Ohrt), hochvermögend, seit er seine Modefirma verkauft hat, macht mit seiner früheren Sekretärin und heutigen Geliebten Viktoria (Bettina Zimmermann) Ferien in seinem Urlaubshaus in Kroatien. Als Viktoria eines Tages eine Anhalterin (Xenia Georgia Assenza) mitbringt, ist Manuel alles andere als erfreut. Das äußerst attraktive Mädchen nennt sich Maniche und berichtet, sie sei von ihrem Freund vergewaltigt worden; nun lässt sich auch Manuel erweichen. Aber dann findet er bei Maniche Artikel über sich und ahnt, dass sie keineswegs zufällig bei ihm gelandet ist. Als es zum Eklat kommt, gibt sich das Mädchen als seine Tochter zu erkennen: das Ergebnis einer flüchtigen Begegnung vor 18 Jahren auf Ibiza. Nach einer Versöhnungs-Party findet Viktoria ihren Freund nackt auf dem Sofa neben Maniches Freundin. Manuel besänftigt sie mit einem Heiratsantrag; und eigentlich geht die Sache jetzt erst richtig los.

Filme, in denen niemand der Rolle entspricht, die man ihm unterstellt, hat es schon öfters gegeben. Selten aber haben die Figuren derart diametrale Charakterzüge hinter ihren Masken verborgen. Niemand ist, was er scheint, auch nicht der unheimliche Nachbar Kuhn (Jürgen Schornagel), dessen Gattin vor einem halben Jahr verschwunden ist. Alle halten Kuhn für einen Spanner, dabei macht er die Filme für seine Frau (Gitta Schweighöfer): Sie leidet unter einer Lichtallergie, lebt im Keller des Hauses und darf nur nachts vor die Tür. In ihrem Mann aber täuscht man sich gleich zweifach; auch er lässt zum Finale seine Maske fallen.

Nicht nur die Musik, auch die hintergründige Bildgestaltung durch Andreas Doub gibt von Beginn an Hinweise auf das Grauen, das hinter den Bildern lauert. Selbst im Verhalten der Figuren haben Demke und Salonen eindeutige Zeichen versteckt; man muss sie nur zu lesen wissen. Vom Schluss aus betrachtet bietet sich die Handlung ohnehin in völlig anderem Licht dar; scheinbar irrationale Momente ergeben plötzlich einen tödlichen Sinn. Mit Xenia Georgia Assenza, bislang bloß in Nebenrollen zu sehen, hat der Film zudem eine ziemlich aufregende Entdeckung zu bieten.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).