Der Auftritt dauerte keine drei Minuten: Am Mittwoch um 15:13 Uhr betritt Alice Schwarzer Saal 1 des Landgerichts Mannheim, mit schwarzem Blazer und schwarzem Rock. Sie kommt nicht als Journalistin, sondern als Zeugin im Kachelmann-Prozess. Der Fernsehmoderator steht vor Gericht, weil er seine ehemalige Geliebte vergewaltigt und mit einem Messer bedroht haben soll. Es erschließt sich nicht auf den ersten Blick, was die Vernehmung der bekannten Feministin, die für die "Bild"-Zeitung über den Prozess berichtet, zur Klärung dieses Vorwurfs beitragen könnte.
Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn hatte Schwarzers Vernehmung beantragt. Letztlich geht es ihm wohl darum, die Glaubwürdigkeit des Therapeuten Günter Seidler zu erschüttern. Der behandelt das mutmaßliche Opfer und erklärt die zum Teil lückenhaften Aussagen der 37-Jährigen mit den Folgen einer Traumatisierung. Schwarzer sollte über ihre Kontakte zu Seidler befragt werden. So wollte Schwenn zeigen, dass der Therapeut mit ihr auch über den Inhalt der nichtöffentlichen Gerichtsverhandlungen sprach.
"Ich werde den Prozess bis zum Ende verfolgen"
Schwarzer, die in ihren Artikeln den Prozess dezidiert aus Frauenperspektive betrachtet, war so zumindest kurzzeitig aus dem Verfahren gekickt - denn so lange sie als Zeugin benannt war, durfte sie nicht an den Verhandlungen teilnehmen. Ihr Auftritt geriet kurz und unspektakulär: Schwarzer berief sich auf ihr gesetzliches Recht, als Journalistin das Zeugnis zu verweigern.
Schwarzer kündigte an, sie werde das Verfahren auch weiterhin begleiten. "Ich werde den Prozess bis zum Ende verfolgen und kommentieren." Im Gerichtssaal kam es noch zu einem kleinen rechtstheoretischen Disput zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, ob die Aussageverweigerung nun zugunsten Kachelmanns gewertet werden dürfe oder nicht. Doch wichtiger für das Schicksal des Angeklagten dürfte die Vernehmung der drei rechtsmedizinischen Gutachter sein, die das Gericht auch noch in diesen prallen Prozesstag hineingepackt hatte.
Hierbei ging es um eine zentrale Frage des angeblichen Tatgeschehens: Woher stammen die Verletzungen des mutmaßlichen Opfers? Handelt es sich um Folgen der Tat? Oder hat sich die Nebenklägerin ihre Verletzungen selbst zugefügt? Klar ist: Bei der Untersuchung am Tag danach hatte sie deutliche Striemen am Hals, drei kleinere Schnittwunden am Unterarm, Bauch und linkem Oberschenkel sowie größere Blutergüsse an den Innenseiten beider Oberschenkel.
Verschwundene DNA-Spuren
Wenn man ihr glaubt, so ist die Wunde am Hals entstanden, als Kachelmann ihr während der Tat ein Küchenmesser an den Hals drückte. Woher die anderen Verletzungen kamen, dazu sagte sie nichts. Die Vernehmung der Mediziner nährten jedoch neue Zweifel an ihrer Aussage: Wie der Heidelberger Rechtsmediziner Rainer Mattern erklärte, wären deutlichere Spuren von Hautpartikeln an der Klinge zu erwarten gewesen, wenn Kachelmann seiner Ex-Freundin das Messer wirklich über längere Zeit an den Hals gedrückt hätte. "Das kann man als Widerspruch darstellen."
Noch eindeutiger waren die von Kachelmanns Verteidigung bestellten Gutachter, die als Sachverständige gleichfalls zur Objektivität verpflichtet sind. Der Kölner Rechtsmediziner Markus Rothschild sagte, es hätte zumindest DNA-Spuren der Ex-Geliebten am Messerrücken geben müssen. "Dort ist keine DNA, und das ist nicht nachvollziehbar." Er schloss auch aus, dass die Spuren verloren gegangen sein könnten, als die Frau nach der Tat das Messer nochmals anfasste. "Man hätte das Messer auf den Boden schmeißen können. Die Epithelien fallen nicht ab, die bleiben dort dran kleben."
Auch der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel kam zu einem recht klaren Ergebnis: Es sei zwar nicht auszuschließen, dass die Hautabschürfung am Hals mit einem Messer verursacht wurde - "aber nicht so wie hier geschildert". Die Schnittverletzungen seien zum Teil "eindeutig nachgezeichnet worden", so Püschel, sie seien oberflächlich und völlig ungefährlich. "Das Muster spricht ganz eindeutig für Selbstbeschädigung." Sollte sich das Gericht dieser Erklärung anschließen, so wäre kaum mehr mit einer Verurteilung zu rechnen.