Meisner erklärte in Köln, die Ehelosigkeit sei für katholische Priester nach wie vor unverzichtbar und von hoher Bedeutung. Er nannte es "hoch angemessen, dass die Kirche den Zölibat mit dem Priestertum verknüpft: Die Priester sollen nicht nur reden, sondern das mit ihrem Leben bezeugen, was sie anderen sagen." Für einen Priester werde Gott so sehr zur Priorität, "dass er die hohen Werte von Ehe und Familie nicht zu verwirklichen vermag".
Zugleich räumte der Kölner Erzbischof ein, das Gebot der Ehelosigkeit sei gegenwärtig "die fragwürdigste Einrichtung in der katholischen Kirche". Das unterstreiche aber lediglich die hohe Bedeutung. Kritikern des Zölibats wirft der Kardinal vor, sie benutzten den Priestermangel als Vorwand für ihre Argumentation. Sie erlebten die Ehelosigkeit als Bedrohung, weil sie zeige, dass Gott "detailliert in die Lebensplanung eingreifen kann". Den wachsenden Priestermangel führt Meisner auch auf eine Geringschätzung des Zölibats zurück.
Appell von Theologen
Zahlreiche katholische Theologen hatten kürzlich in einem Appell an die katholischen Bischöfe Reformen gefordert, unter anderem die Zulassung von verheirateten Priestern und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. "2011 muss ein Jahr des Aufbruchs in der Kirche werden", heißt es in dem Papier, das mittlerweile mehr als 200 Hochschullehrer unterzeichnet haben. Ebenso stellten prominente CDU-Politiker, unter ihnen Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesbildungsministerin Annette Schavan, in einem Brief an die Deutsche Bischofskonferenz den Zölibat infrage.
Auch der katholische Theologe und Papstschüler Wolfgang Beinert warb für die Abschaffung der Ehelosigkeit von Priestern. Der Mangel an Priesternachwuchs führe dazu, dass die Kirche ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen könne, so der Wissenschaftler im Bayerischen Rundfunk. Die Zahlen seien "so erschreckend, da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das ist eine schwierige Entscheidung, aber man wird nicht um sie herumkommen."
Papstschüler beklagt Priestermangel
Beinert war einst Assistent von Joseph Ratzinger und übernahm später wie dieser einen Dogmatik-Lehrstuhl an der Regensburger Universität. Der mittlerweile emeritierte Professor hielt auch nach dem Weggang Ratzingers aus Regensburg stets engen Kontakt zum heutigen Pontifex. Beinert sagte dem Radiosender, nach seinen Informationen denke der Vatikan tatsächlich über eine Änderung beim Thema Zölibat nach. "Die Kirche muss handeln, denn es geht einfach darum, ob sie ihre Aufgabe in Mitteleuropa und vielen anderen Teilen der Welt erfüllen kann."
Aus Sicht des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim wird nach dem Aufruf der Professoren zu tiefgreifenden Reformen eine "Frontstellung" in der katholischen Kirche deutlich. Während der offizielle Kurs immer konservativer werde, setzten sich verschiedene kirchliche Gruppen für eine eher "liberal-moderne Position" ein, schreibt der Ökumenefachmann Paul Metzger in einer Stellungnahme der evangelischen Einrichtung. Die Wortmeldung der katholischen Theologieprofessoren und der Aufruf von CDU-Politikern zur Lockerung des Zölibats zeigten, dass die katholische Kirche in Deutschland auf einen heftigen innerkirchlichen Konflikt zutreibe.
"Theologische Ohnmacht" der Bischöfe
Die Forderungen der Professoren nach Anerkennung homosexueller Partnerschaften sowie die Öffnung des Priesteramtes für verheiratete Männer und die Zulassung von Frauen zum kirchlichen Amt dürften auf Ablehnung stoßen, argumentiert der evangelische Theologe Metzger. Zugleich verweist er darauf, dass die katholischen Bischöfe in Deutschland als Adressat des Memorandums "Aufbruch 2011" nur bedingt am Lehramt der Weltkirche beteiligt seien. Hier offenbare sich die "theologische Ohnmacht" der Bischöfe, die unter dem Eindruck der auf den Missbrauchsskandal folgenden Vertrauenskrise zum offenen Dialog eingeladen haben.
"Das ist Polemik", sagte Ökumenefachmann Metzger zu Empfehlungen von konservativen Katholiken, die Kirchenkritiker sollten sich der evangelischen Kirche anschließen. Als Belege für die konservative Tendenz des katholischen Lehramtes nennt das Konfessionskundliche Institut die angestrebte Versöhnung mit konservativen Kreisen, wie den Piusbrüdern sowie weitreichenden Zugeständnisse Roms beim Übertritt konservativer Anglikaner.