In die festgefahrenen Hartz-IV-Verhandlungen kommt am Dienstag möglicherweise doch noch Bewegung. Am Abend will sich dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Koalition treffen, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Koalitionskreisen. Im Anschluss setzen die Unterhändler von Bund und Ländern ihre Gespräche für einen Hartz-IV-Kompromiss fort. Sie waren in der Nacht zum Montag nach fast zehn Stunden unterbrochen worden.
SPD will mehr als fünf Euro
Die SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig lobte Merkels Absicht: "Angesichts der Uneinigkeit und Zerstrittenheit auf Seiten der Koalition kann ich es nur begrüßen, dass Frau Merkel endlich Linie ins Regierungslager bringen will", sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Dienstag). Zugleich beharrte sie beim Regelsatz auf einer Erhöhung über die von der Regierung geplanten fünf Euro hinaus.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf der SPD vor, die Verhandlungen für die laufenden Landtagswahlkämpfe zu instrumentalisieren und deshalb unbeweglich zu sein. "Wir sind der Opposition entgegen gekommen, obwohl es ja ein rot-grünes Gesetz war, das Karlsruhe verworfen hat", sagte Lindner dem Konstanzer "Südkurier" (Dienstag). Jetzt müsse die Opposition "runter von Maximalforderungen". Der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, drohte in der "Rheinischen Post" (Dienstag), die Gespräche platzen zu lassen.
Die vom Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr verlangte Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes ist seit Anfang Januar überfällig. Einem Kompromiss am nächsten sind sich beide Seiten bei den geplanten Maßnahmen zur Bildungsförderung. Wegen der vielen insgesamt noch strittigen Fragen gilt ein Durchbruch aber als eher unwahrscheinlich.
Massenhaft Klagen befürchtet
Der Deutsche Städtetag forderte ein schnelles Ende der Verhandlungen. Hauptgeschäftsführer Stephan Articus begrüßte in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag) aber, "dass der Bund erneut erklärt hat, die Kosten der Grundsicherung im Alter komplett zu übernehmen".
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, prophezeite in der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag): "Wenn Regierung und Opposition sich nicht einigen, wird es massenhaft Klagen geben. Dann werden die Sozialgerichte in Deutschland die Höhe der Regelsätze und Bildungsleistungen für bedürftige Kinder festlegen."
Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, im "Hamburger Abendblatt" (Dienstag). "Sollte in den nächsten Tagen keine Einigung absehbar sein, empfehlen wir den Betroffenen zu klagen - in der Hoffnung, dass die Richter unsere Ansicht teilen und den Betroffenen zu ihrem Recht verhelfen."