Die für Samstag angesetzten Feierlichkeiten für Sterzinsky sind "auf zunächst unbestimmte Zeit" abgesagt worden, denn der Kardinal musste sich in den vergangenen Tagen zwei Operationen unterziehen und liegt noch im Krankenhaus. Bereits vor zwei Jahren hatte der chronisch kranke Kardinal kein großes Aufheben um seine 20-jährige Bischofszeit gemacht. Das Jubiläum fiel zusammen mit den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR.
Aus dieser Zeit weiß Sterzinsky, dass manches anders kommt als gedacht. So etwa am 9. November 1989, als der erst wenige Monate zuvor zum Berliner Bischof Ernannte auf dem Weg nach Rom war, um sich beim Papst vorzustellen: "Wir hatten mit allem gerechnet, nur nicht damit", erinnert sich Sterzinsky an den Tag des Mauerfalls.
Gemäß seinem Wahlspruch "Deus semper maior" (lateinisch, "Gott ist immer größer") hat er sich nicht in das Bischofsamt gedrängt. Geboren 1936 im ostpreußischen Warlack verschlägt es Sterzinskys Familie nach dem Krieg in das thüringische Bad Berka. Nach dem Tod der Mutter kommt Sterzinsky mit zwölf Jahren in ein katholisches Internat nach Erfurt. Anschließend studiert er dort Theologie und Philosophie.
Priesterweihe in Erfurt
Nach seiner Priesterweihe 1960 im Erfurter Dom arbeitet er zunächst in Eisenach, später als wissenschaftlicher Assistent am Priesterseminar in Erfurt und als Vikar in Heiligenstadt. Von 1966 bis 1981 ist Sterzinsky Gemeindepfarrer an der St.-Johannes-Baptist-Kirche in Jena, die zu den größten katholischen Gemeinden in der DDR zählte. Kindergottesdienste mit mehreren hundert Kindern waren keine Seltenheit, erinnern sich Gemeindeglieder.
Anschließend steigt er sehr schnell in der Kirchenhierarchie nach oben: Generalvikar des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen, Leiter der Ökumene-Kommission und Mitglied der Ökumenischen Kommission der Berliner Bischofskonferenz sowie der Katholisch-Evangelischen Konsultativgruppe in der DDR. In diesen Funktionen macht Sterzinsky verstärkt Erfahrungen im Umgang mit dem SED-Staat. Mit der Ernennung zum Berliner Bischof als Nachfolger seines nach Köln wechselnden Studienkollegen Joachim Meisner im Juni 1989 zieht Sterzinsky endgültig nach Berlin.
Nach der finanziellen Rosskur, die Sterzinsky 2003 seinem mit knapp 150 Millionen Euro völlig überschuldeten Erzbistum verpasst hatte, widmete er sich in den vergangenen Jahren vor allem deren Folgen in den oft fusionierten Gemeinden. Bis 2020 sollen die benötigten Kredite zurückbezahlt sein.
"... dass niemand betteln muss"
Wenn auch seltener als früher, meldet sich das 1991 zum Kardinal ernannte Oberhaupt der Katholiken in der Bundeshauptstadt auch heute noch zu gesellschaftlichen Fragen zu Wort. So forderte er bereits vor zwei Jahren: "Die Hartz-IV-Sätze müssen so hoch sein, dass niemand betteln muss."
Auch wenn Sterzinsky für einen offenen Kurs gegenüber den Protestanten steht, sieht er etwa in der Frage des gemeinsamen Abendmahls, die den ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin beherrschte, die Zeit für noch nicht gekommen. Der evangelische Landesbischof Markus Dröge wünschte dem erkrankten Sterzinsky zu dessen Geburtstag gute Genesung und erinnerte an die vertrauensvolle Zusammenarbeit unter anderem für den Sonntagsschutz.
Nun will Sterzinsky offenbar den Weg für einen Nachfolger frei machen. Sein Wirken bleibt dabei so manchem Kollegen wohl noch länger im Gedächtnis. "Er hat das geteilte Bistum zusammengeführt und nach Kräften versucht, die Wunden der langen Trennung zwischen Ost und West zu heilen", sagte etwa sein Thüringer Bischofskollege Joachim Wanke.