Nach Kriegsende wurden die Bunker nicht mehr als Schutzbauten gebraucht. Die Besatzungsmächte wollten sie zunächst abreißen lassen, doch dies scheiterte oft an der massiven Bauweise. So wurde in einen Großteil der Bunker Löcher eingesprengt. Nachdem die Bauten auf diese Art "entfestigt" worden waren, ließen sie sich nicht weiter als Schutzräume nutzen. Druckwellen von Bombenexplosionen würden sie nicht mehr standhalten.
Efeu an den Mauern
In den ersten Nachkriegsjahren dienten einige Bunker als Notunterkünfte oder Lager. Mit dem fortschreitenden Wiederaufbau entfiel jedoch auch diese Aufgabe. Ab den 1960er Jahren fristeten die Bauten eher ein klägliches Dasein. Efeugewächs rankte sich an den Außenmauern hoch. Städtebaulich blieben die Relikte des Krieges eine Herausforderung - die jedoch lange ignoriert wurde. Mit Ende des Kalten Krieges wurden zahlreiche frühere Bunker aus der sogeannten "Zivilschutzbindung" entlassen. Der Bund als Eigentümer veräußerte zahlreiche Immobilien. Es gab immer wieder die eine oder andere Idee, den Orten neues Leben einzuhauchen. Dabei bemühten sich auch zahlreiche Kirchengemeinden, ihnen wieder eine neue Aufgabe zu geben.
In Hannover wollte ein evangelisches Kinderheim einen Hochbunker zu neuem Wohnraum ausbauen. Dieser Bunker wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges errichtet - gerade um auch den Schülern einer nahe gelegenen Schule und den Heimkindern Schutz vor Bombenangriffen zu bieten. 1948 war die Fassade des Hochbunkers großflächig aufgesprengt worden, was einen möglichen Umbau hätte erleichtern können. Die Pläne ließen sich jedoch nicht verwirklichen. Zunächst konnte sich der Trägerverein nicht mit dem zuständigen Vermögensamt über den Preis einigen, schließlich scheiterte das Projekt an besonderen Bauauflagen.
"Ostergarten" erzählt von Gefahren und Schutz
Andere kirchliche Projekte konnten jedoch realisiert werden: Bereits seit 2006 machen Konfirmanden im nordrhein-westfälischen Siegen die Ostergeschichte in einem früheren Bunker erlebbar. Die Jugendlichen führen auch in diesem Jahr wieder Gruppen durch den "Ostergarten", einen ganz besonderen Kreuzweg. Unterstützt wird die Ausstellung auch von einer besonderen Beleuchtung und Hörspielszenen über Lautsprecher.
Der Besucher werde in eine andere Welt versetzt, sagt die Gemeindepädagogin der Siegener Stadtgemeinden, Juliane Kolb: "Wir haben im Bunker alles, was zu der Geschichte Jesu gehört, außer den Personen." Der Raum ist dafür bewusst gewählt: Die Atmosphäre im Inneren ist bedrückend. Es ist kühl, dunkel, feucht - ein unwirtlicher Ort. "Hier auszuharren ist ein beklemmendes Gefühl", sagt Karlfried Petri, Öffentlichkeitsreferent des Kirchenkreises Siegen.
Zum Nacherleben der letzten Stunden Jesu im Weltkriegsbunker gehört auch das Abendmahl. Die Besucher des Luftschutzbunkers bekommen Brot und Traubensaft gereicht. "Nach der Kreuzigung muss jeder Besucher allein durch das sieben Meter lange Grab gehen", erläutert Kolb. Am Ende der Tour kommen die Besucher im Auferstehungsgarten an. Der letzte Raum ist im Gegensatz zu den anderen Stationen hell und freundlich gestaltet: Hier gibt es einen Springbrunnen, Blumen blühen und es ist warm. "In den anderen Räumen ist es nur sieben Grad warm", sagt Kolb.
Der Ostergarten im Bunker ist ein theologisch reizvolles Projekt, ist sich Kolb sicher. "Der Raum vermittelt eine doppelte Botschaft: Zum einen bietet er Schutz, aber er zeugt auch von der Gefahr." Auf Jugendliche übe dieser düstere, harte und kalte Ort eine besondere Faszination aus. In den vergangenen Jahren habe es jedoch auch etwa zehn ältere Besucher gegeben, die den Bunker nicht betreten konnten, obwohl sie sich zu den Führungen angemeldet hatten: "Die Erinnerungen waren zu groß", sagt Kolb. Sie haben die Bombenangriffe auf die Stadt als Kinder selbst in den Bunkeranlagen miterlebt.
Die Räume im Bunker werden der Kirche für das Projekt mietfrei überlassen. Kolb sagt, dass unklar sei, ob der Ostergarten eine Zukunft haben könne, falls der Bunker demnächst veräußert wird.
Beten hinter Betonmauern
In Düsseldorf wurde wenige Jahre nach Kriegsende aus einem früheren Bunker die Kirche Sankt Sakrament. Der Betonkoloss wurde 1943 auf einem Grundstück errichtet, das bereits seit 1928 der katholischen Kirche gehörte. Die Nationalsozialisten hatten den Boden dafür beschlagnahmt. "1947 wurde Pfarrer Dr. Klinkhammer hierher versetzt", berichtet Peter Bauer, der sich im Pfarrgemeinderat engagiert und Besucher durch die heutige Kirche führt: "Ihm kam die Idee, den bestehenden Bau als Kirche zu nutzen." Mit einem Buch des englischen Heiligen Thomas More (1478-1535) sei dieser dann zu den Briten gegangen, sagt Bauer. "Er konnte den Kommandanten für sein Anliegen gewinnen."
Unter großen Anstrengungen hätten Jugendliche Zwischenwände und Decken entfernt, erläutert Bauer. 1949 weihte der damalige Kölner Kardinal Josef Frings die Kirche unter dem Friedensmotto: "Schwerter zu Pflugscharen" aus dem biblischen Buch Jesaja. "Ende der fünfziger Jahren wurde das Gebäude offiziell der katholischen Kirche überschrieben", weiß Bauer. Das Untergeschoss der Bunkerkirche ist im Origialzustand erhalten geblieben. Dort finden regelmäßig Ausstellungen zu Thema Krieg und Frieden statt. Zu hohen Feiertagen gebe es auch besondere Formen der Messe, sagt Bauer: Jeweils am 1. Januar, dem Weltfriedenstag, finde ein zentraler Gottesdienst der Stadt in der Bunkerkirche statt.
Aus kirchlicher Sicht bieten alte Bunker einen symbolträchtigen Rahmen - nicht zuletzt, weil die Bauten mit dem Leid des Krieges verbunden werden. "In unserer Kirche dominiert ein großes Kreuz", sagt Bauer. Für die Gemeindemitglieder sei der Bau aber im Grunde nichts besonderes. Einzig die Mächtigkeit der Wände falle beim Betreten der Kirche auf: Die Außenmauern sind 1,20 Meter dick, die Decke misst 2,30 Meter. "Ich kann schon sagen, dass es sehr ruhig in der Kirche ist", so der Kirchenführer. Die Akkustik in der Halle ist hingegen sehr gut, was bei zahlreichen Konzerten auffalle: "Und man kann eigentlich ohne Mikrofon sprechen."
Viele weitere ehemalige Bunker in ganz Deutschland werden heutzutage kulturell genutzt: Viele Musikgruppen nutzen die Kammern hinter den dicken Mauern als Proberäume. Und dass die neuen Bestimmungen für die alten Räume mitunter sehr lebendig sind, zeigt ein Beispiel aus der Hauptstadt: In Berlin hat sogar ein Gruselkabinett seinen Platz in einem Bekonkoloss gefunden.
Thomas Paterjey studiert in Hannover und arbeitet als freier Journalist.