Immer mehr Modellprojekte auf dem Weg zum Islamunterricht
Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts in Deutschland rückt näher: Kaum ein Bundesland, das nicht im Schulversuch eine Unterrichtsform erprobt oder darüber nachdenkt. In Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz beispielsweise laufen Modellprojekte, Niedersachsen hat die Einführung als ordentliches Lehrfach bis 2014 schon angekündigt.
05.02.2011
Von Barbara Schneider

Am 13. und 14. Februar veranstaltet die Deutsche Islamkonferenz in Nürnberg eine Konferenz zum Thema. Prinzipiell gilt: Der Religionsunterricht in Deutschland ist Ländersache und wird daher von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt. Das Angebot reicht von Islamkunde, bei der vom Staat die Inhalte bestimmt werden, bis hin zum Bekenntnisunterricht. Je nach Bundesland sind dabei etwa Aleviten, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt der Religion (DITIB) oder örtliche Moscheevereine an der Ausgestaltung beteiligt.

Kein zentraler Ansprechpartner

Flächendeckend und somit als Option für alle muslimischen Schüler gibt es den Unterricht aber noch nicht. In Nordrhein-Westfalen nehmen lediglich 10.500 von insgesamt 310.000 muslimischen Schülern am Islamkundeunterricht teil, in Niedersachsen erreicht ein Modellversuch an 42 Grundschulen derzeit 2.000 Schüler. In Hessen gibt es alevitischen Religionsunterricht an vier Grundschulen.

Die gesetzliche Grundlage sieht wie folgt aus: Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ist in Deutschland als ordentliches Lehrfach im Grundgesetz (Artikel 7 Absatz 3) verankert und soll in "konfessioneller Gebundenheit" unterrichtet werden. Anders als in der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland gibt es allerdings im Islam keine klar umrissene Autorität, die für alle Muslime sprechen kann.

Neben "ungeklärten Fragen hinsichtlich seiner Verfassungs- und Rechtstreue" sei daher vor allem die Organisationsstruktur des Islam ein Problem, benannte der Jurist Christian Waldhoff in einem Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag die Schwierigkeit. Was soviel heißt wie: Es fehlt ein Ansprechpartner seitens der Muslime, der verbindlich über die Grundsätze der Religionsgemeinschaft Auskunft geben kann.

"Wenige Absolventen"

Demgegenüber hat bereits 2005 das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass auch Dachverbände die Voraussetzung für Religionsgemeinschaften erfüllen können, wenn Gläubige auf lokaler Ebene die unentbehrliche Grundlage bildeten. "Mit gutem Willen lässt sich eine Lösung finden", sagt der Münsteraner Jurist Janbernd Oebbecke. Er verweist auf Niedersachsen, wo sich Anfang dieses Jahres der Landesverband Schura und die DITIB darauf verständigt haben, einen gemeinsamen Beirat als Ansprechpartner zu bilden.

Oebbecke sieht vor allem die negative Haltung gegenüber dem Islam in der Gesellschaft als Hindernis. "Das Problem liegt darin, dass die Politik wegen der Stimmung in der Gesellschaft große Probleme mit der Einführung hat", sagt er und ergänzt: Hinzu komme die mangelnde Kooperationsbereitschaft beziehungsweise Konkurrenz der muslimischen Verbände untereinander.

Der Professor für Islamische Religionspädagogik, Bülent Ucar, der in Osnabrück islamische Religionslehrer ausbildet, sieht vor allem im Modellcharakter des islamischen Religionsunterrichts ein Problem. Bislang gebe es "ganz wenige Absolventen", sagt Ucar. Die langfristige Perspektive für die Studenten fehle. "Zudem ist der Islamische Religionsunterricht derzeit an allen drei Standorten nur Drittfach, und das ist kein Anreiz für die Studenten."

Mittel der Integration

In Osnabrück werden seit 2007 islamische Religionslehrer ausgebildet, schon ein paar Jahre länger bestehen in Erlangen und Münster entsprechende Studiengänge. Darüber hinaus fördert die Bundesregierung derzeit den Ausbau von Zentren für Islamische Studien für Forschung sowie Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern und Religionslehrern. Als erste Standorte hatte der Bund hierfür im vergangenen Jahr Münster/Osnabrück und Tübingen ausgewählt.

Zwischen 947.000 und 1.088.000 muslimische Schüler leben nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Deutschland. Darunter sind zwischen 105.000 und 121.000 alevitische Schüler. Diese demografische Entwicklung mache die Einführung des islamischen Religionsunterrichts dringend notwendig, argumentiert Ucar.

Von der Deutschen Islamkonferenz, die die flächendeckende Einführung eines islamischen Religionsunterricht in den Bundesländern voranbringen will, erhofft er sich vor allem eine Signalwirkung. "Wenn wir Integration und Teilhabe von Muslimen in der Gesellschaft wollen, dann gehört der islamische Religionsunterricht dazu", sagt der Religionspädagoge.

epd