Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Hinter der Burka sieht man das Lächeln nicht
Der Fall einer städtischen Angestellten in Frankfurt, die in Burka zur Arbeit kommen wollte, hat die Diskussion um den Vollschleier wieder angekurbelt. Wie soll man mit dem Kleidungsstück umgehen?

Probieren Sie mal folgendes Experiment. Gehen Sie durch eine Fußgängerzone oder ein Einkaufszentrum ihrer Wahl und lächeln Sie. Lächeln Sie den Menschen, die Ihnen entgegen kommen, einfach mal entgegen. In den allermeisten Fällen kommt ein Lächeln zurück.

Nur nicht, wenn man das Lächeln nicht sieht.

In Frankfurt wollte eine Mitarbeiterin im Bürgeramt der Stadt gern vollverschleiert zur Arbeit kommen. Die Stadt hat das nicht zugelassen. Das ist eine sinnvolle Entscheidung und ein beachtenswerter Präzedenzfall. Denn ein Vollschleier, sei es Burka oder Niqab, baut zwischen zwei kommunizierenden Menschen eine Barriere auf, die in Deutschland und Mitteleuropa völlig ungebräuchlich ist. Sie sperrt fast alles aus, was wir von Kindheit an als nonverbale Kommunikation lernen.

Verbot im öffentlichen Dienst ist richtig

Die Burka ist ein bisschen wie ein Chat im Internet. Da ist nämlich auch eine technische Hürde zwischen den Menschen aufgebaut. Im Chat lassen sich nur durch explizite Symbole und eindeutige Sprache Missverständnisse verringern, und trotzdem weiß man nie genau, wie der Gegenüber was nun meinte. Und in der Burka wird sich erst recht niemand die Mühe machen, einen Smiley in die Luft zu malen.

Auf Dauer ist das eine ziemlich anstrengende Art zu kommunizieren. Für Positionen in der Öffentlichkeit, die von der Interaktion leben – und dazu gehört jede Stelle mit Publikumskontakt, sei es im Bürgeramt oder an der Supermarktkasse – ist die offene Kommunikation aber entscheidend. Nicht umsonst gehört "Kommunikationsfähigkeit" zu den klassischen Anforderungen bei Bewerbungen auf fast jede Arbeitsstelle. Die wird durch einen Vollschleier eingeschränkt, egal wie kommunikativ der Mensch dahinter ist.

Die Entscheidung der Stadt Frankfurt, eine Rückkehr an den Arbeitsplatz im Vollschleier nicht zuzulassen, ist daher konsequent und richtig. Wie steht es aber mit der Entscheidung des Landes Hessen, den Vollschleier im gesamten öffentlichen Dienst zu verbieten?

Auch das ist konsequent und richtig. Wer im öffentlichen Dienst angestellt oder gar verbeamtet ist, ist zugleich immer ein Vertreter des Staates, von den Angestellten des Bürgeramtes über Lehrer und Lehrerinnen bis zur Polizei. Er oder sie steht für Freiheit und Gleichheit in unserer Gesellschaft. Das ist schwierig, wenn man der Staatsvertreterin nicht ins Gesicht schauen kann. Das Signal von Verschlossenheit und Distanz, das eine Burka sendet, steht dem diametral entgegen.

In Deutschland muss niemand eine Burka tragen

Daher kommt das Unbehagen vieler Leute, wenn sie den seltenen Anblick einer vollverschleierten Frau auf der Straße erleben. Man kann und sollte das Tragen einer Burka im privaten Bereich nicht verbieten – immerhin fällt die freie Wahl der Kleidung selbstverständlich unter die Offenheit, derer sich unser Staat zu Recht rühmt. In Deutschland besteht auch nicht die Gefahr, dass auf einen Schlag tausende vollverschleierte Menschen an Supermarktkassen oder Bankschaltern, in Bürgerämtern oder Bäckereien auftauchen, also reden wir nur über Einzelfälle.

Aber in diesen Einzelfällen sollten wir dafür sorgen, dass die Frauen hinter dem blauen Schleier auch erfahren, dass sie in Deutschland keine Burka tragen müssen – durch Freundlichkeit, Akzeptanz, Erklären und im Zweifelsfall auch das Verbot am Arbeitsplatz. Es nicht nur in Ordnung, sein Gesicht (und seine Haare) zu zeigen, es ist sogar ganz schön.

Denn dann kann man zurücklächeln.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 4. Februar 2011 auf evangelisch.de.