Entscheidende Hartz-IV-Runde am Sonntag
Die Verhandlungen über die Hartz-IV-Reform gehen am Sonntagabend in die entscheidende Runde. In einem Spitzengespräch, das voraussichtlich bis in die Nacht dauern wird, soll in den strittigen Fragen eine Einigung erzielt werden. Dann könnte der Bundesrat nächsten Freitag die Reform verabschieden.

In dem Vermittlungsverfahren geht es um drei Themen: die Höhe der Regelsätze für die insgesamt 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger, die Bildungsförderung für Kinder (das sogenannte Bildungspaket) und um Mindestlöhne für Leiharbeiter.

Die Regierung will den Hartz-IV-Regelsatz um fünf Euro auf 364 Euro monatlich erhöhen und weigert sich bisher, über die Berechnungsgrundlagen zu verhandeln. Die Grünen halten wie die Sozialverbände einen Regelsatz von 420 Euro für angemessen, fordern diese Summe im Zusammenhang mit den Verhandlungen aber nicht offensiv. Die SPD nennt keine Summe, wirft der Regierung aber vor, den Satz bewusst kleingerechnet zu haben.

AWO: "Sätze müssen spürbar steigen"

SPD und Grüne wollen veränderte Berechnungsgrundlagen erreichen, nach denen der Regelsatz höher ausfiele. Daneben geht es um die Ausgabeposten, aus denen sich der Regelsatz zusammensetzt. Die Opposition wirft der Regierung vor, zu viele Posten herausgerechnet zu haben, darunter Tabak und Alkohol.

Die Verhandlungen müssten deutliche Verbesserungen für die Betroffenen bringen, erklärte der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler. Die neuen Regelsätze dürften nicht durch "fragwürdige Eingriffe in die Berechnungsmethode kleingerechnet werden. Insgesamt müssen die Sätze spürbar steigen", so Stadler.

Ein Zugeständnis wiederum ist seitens der Regierung bei ehrenamtlich tätigen Hartz-IV-Empfängern zu erwarten. Bisher war vorgesehen, ihnen von ihren Einkünften künftig mehr abzuziehen. Das soll nicht umgesetzt werden. Dadurch würde die Hartz-IV-Reform, die nach bisherigen Plänen rund eine Milliarde Euro kostet, rund 50 Millionen Euro teurer.

Von der Leyen will, dass Kinder gewinnen

Bei der Bildungsförderung gab es in der jüngsten Spitzenrunde einen Kompromiss. Regierung und Opposition wollen die Umsetzung den Kommunen übertragen. Nach den ursprünglichen Regierungsplänen sollten dies die Jobcenter übernehmen. Geplant ist nun, dass die Kommunen die Zuschüsse für Kinder zu Vereinsbeiträgen, Schulmittagessen, Nachhilfestunden und Klassenfahrten verwalten und die Kosten vollständig vom Bund erstattet bekommen.

Allerdings müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür noch geklärt werden. Denn im Grundsatz darf der Bund keine direkte Finanzbeziehung zu den Kommunen haben.

"Ich werde dafür kämpfen, dass unter dem Strich die Kinder die Gewinner des Verhandlungsmarathons sind", sagte von der Leyen. Mehr Bildung und Teilhabe für bedürftige Kinder sei die Hauptbotschaft des Bundesverfassungsgerichts gewesen.

"Equal Pay" für Leiharbeiter?

Beim Thema Löhne geht es um Branchenmindestlöhne, an erster Stelle für die rund 900.000 Zeitarbeiter. Die Grünen fordern auch für die Weiterbildungsbranche einen Mindestlohn.

Einer der Knackpunkte ist die Frage nach "gleichem Lohn für gleiche Arbeit" ("Equal Pay"). Ab wann sollen Leiharbeiter genauso bezahlt werden wie die Stammbelegschaft? Auf Regierungsseite kursieren verschiedene Vorschläge. Die FDP sprach erst von zwölf Monaten und tendiert jetzt dem Vernehmen nach zu neun. SPD und Grüne plädieren für eine gleiche Bezahlung nach einer Einarbeitungszeit von wenigen Wochen.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, warf der Regierungskoalition am Freitag vor, durch innere Zerstrittenheit bislang substanzielle Fortschritte bei den Verhandlungen verhindert zu haben. "Die SPD will eine Einigung im Sinne der betroffenen Menschen", sagte Steinmeier. Dazu gehörten bessere Bildungschancen für Kinder aus sozial schwächeren Familien sowie ein wirksamer Schutz gegen Missbrauch in der Leiharbeit durch einen Mindestlohn.

Das lange Ringen um eine Einigung

Der Deutsche Caritasverband warnte vor einem Scheitern der Verhandlungen. Die Höhe der Regelsätze dürfe kein Tabu sein, sagte Caritas-Präsident Peter Neher. Kinder müssten rasch die Chance auf Bildung und Teilhabe erhalten, die das Bundesverfassungsgericht ihnen zugesprochen habe. "Ein warmes Mittagessen kann man nicht im Nachhinein essen", sagte Neher.

Die Hartz-IV-Reform war vor Weihnachten am Widerstand der SPD-regierten Länder im Bundesrat vorläufig gescheitert. Seitdem bemüht sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe um eine Einigung. Anlass für die Reform war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte dem Gesetzgeber aufgegeben, die Berechnung der Regelsätze transparenter zu machen und die Bedürfnisse von Kindern besser zu berücksichtigen. Die Reform sollte bis Ende 2010 umgesetzt werden.

epd