TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Feindbild" (ARD)
Bukow steht nach wie vor unter Verdacht, dem serbischen Mafia-Paten Subocek einen Kronzeugen ans Messer geliefert und wichtiges Beweismaterial vernichtet zu haben.
04.02.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Polizeiruf 110: Feindbild", 6. Februar, 20.15 Uhr im Ersten

Irgendwann wird die Geschichte zu Ende erzählt sein, dann werden Katrin König und Alexander Bukow nur noch ganz normale Mörder jagen. Auch dann aber werden die "Polizeiruf 110"-Beiträge aus Rostock vermutlich noch gute Krimis sein, schließlich ist der Kontrast zwischen dem bulligen Kriminalkommissar und der so filigran wirkenden LKA-Ermittlerin schon rein äußerlich offenkundig. "Body and Brain", Herz und Verstand: Das Potenzial ist groß, die Darsteller sind famos; und die Inszenierung dieses dritten Falls wieder derart herausragend, dass man sich wünscht, der Ire Eoin Moore möge ebenso zum festen Team gehören wie Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner.

Moore, der auch den ersten Fall ("Einer von uns") geschrieben und inszeniert hat, spinnt die Anfangsgeschichte im dritten Auftritt des norddeutschen Duos weiter: Bukow steht nach wie vor unter Verdacht, dem serbischen Mafia-Paten Subocek einen Kronzeugen ans Messer geliefert und wichtiges Beweismaterial vernichtet zu haben. Schon allein diese Konstellation birgt einen enormen Reiz, schließlich ist es eigentlich undenkbar, dass der Held eines Sonntagskrimis Dreck am Stecken hat. In einer intensiv gespielten Schlüsselszene schüttet Bukow der Kollegin, die intern gegen ihn ermittelt, sein Herz aus.

Am Fuß eines Kirchturms wird eine Leiche gefunden

Wie schon im zweiten Film ("Aquarius") gibt es jedoch eine zweite Handlungsebene, und die ist nicht minder brisant. Als am Fuß eines Kirchturms eine Leiche gefunden wird, führt die Spur zum Imperium eines als unantastbar geltenden örtlichen Pharma-Riesen: Ferdinand Geiger (Jürg Löw) hat nicht nur Leichen im Keller, sondern auch Präparate mit tödlichen Nebenwirkungen auf den Markt gebracht. Ein kleines Mädchen ist an den Folgen einer Zeckenimpfung gestorben, sein Vater (Andreas Patton) seither wie besessen auf einem Kreuzzug gegen das Unternehmen. Er ist auch zumindest nicht ganz unschuldig am Tod des Mannes, der vom Kirchturm gestürzt ist. Der wiederum war Serbe und stand auf der Gehaltsliste von Subotec, der prompt höchstselbst in Rostock auftaucht, denn seine Leute haben für Geiger die Drecksarbeit erledigt; unter anderem galt es, einen so genannten Whistleblower zu eliminieren, einen Mitarbeiter Geigers, der die Skandale öffentlich machen wollte.

Spätestens das Eingreifen des Mafioso, den Aleksandar Jovanovic beklemmend charismatisch verkörpert, bildet den Schnittpunkt der beiden Erzählstränge. Die Geschichte ist so fesselnd, dass Moore – von der dynamischen Musik mal abgesehen - bei der Inszenierung des Films gelassen auf die üblichen künstlichen Spannungsverstärker verzichten konnte. Das schließt gewisse Zuspitzungen der Handlung nicht aus; etwa, als Bukow dem Serben eine Falle stellt und sein übereifriger Kollege (Andreas Guenther) alles verdirbt.

Angemessen packend umgesetzt ist das Finale, als sich sämtliche Beteiligten, alle bewaffnet, auf dem Anwesen des Pharma-Unternehmers einfinden. Sehr hübsch sind auch die Selbstironien, wenn beispielsweise Bukow, von den Lesern eines Boulevardblatts zum Schimanski-Nachfolger erkoren, Vergleiche mit dem Bildschirmkollegen weit von sich weist.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).