Seit Prozessbeginn vor vier Monaten äußerte sich der Angeklagte zum ersten Mal vor Gericht. "Es tut mir leid, dass Menschen verletzt wurden und viele Menschen Angehörige verloren haben", sagte der untersetzte Mann mit brüchiger Stimme und Tränen in den Augen. "Ich möchte allen Angehörigen mein Mitgefühl ausdrücken. Wir möchten aber kein Mitleid." Jörg K. blickte dabei in die Gesichter der Hinterbliebenen. Er war am Dienstag erstmals seit drei Monaten wieder bei der Verhandlung erschienen. Die Sicherheitsmaßnahmen waren deshalb verstärkt worden: Zwölf Beamte, zum Teil bewaffnet, saßen im Gerichtssaal.
Die beiden Verteidiger des Angeklagten forderten in ihren Plädoyers, von einer Strafe abzusehen. Es gäbe genug strafmildernden Aspekte. So habe der Vater des Amokläufers Tim K. ohne Rücksicht auf mögliche Folgen für ihn von der unverschlossenen Waffe im Schlafzimmer erzählt. Er habe gegen das Waffengesetz verstoßen, gab Verteidiger Hubert Gorka zu. Er habe sich aber nicht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung schuldig gemacht. Die Tat seines Sohnes habe der Vater nicht voraussehen können.
Zwei Jahre Haft auf Bewährung gefordert
Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz droht Jörg K. höchstens ein Jahr Haft. Sollte er auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden, könnte er bis zu fünf Jahre ins Gefängnis kommen. Die Staatsanwaltschaft verlangt für Jörg K. eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung. Den meisten Hinterbliebenen, die als Nebenkläger im Prozess auftreten, geht die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer Bewährungsstrafe nicht weit genug.
Der Angeklagte bedauerte am Dienstag, dass er am vorherigen Prozesstag nicht anwesend gewesen sei und die Plädoyers der Opfereltern und ihrer Vertreter nicht habe hören können. Zum Schluss bedankte er sich bei der Polizei, die ihn und seine Familie nach Morddrohungen beschützt habe.
Dieter Kleisch, der eine Tochter beim Amoklauf verlor, verließ den Gerichtssaal. Für ihn komme die Entschuldigung zu spät. "Der Angeklagte hatte viel Zeit, sich zu entschuldigen und zum Prozess beizutragen," sagte er. Für Gisela Mayer, deren Tochter ebenfalls erschossen worden war, kam die Erklärung dagegen nicht zu spät. "Es war ungeheuer mutig, ein gewaltiger Schritt. Zum ersten Mal hat der Angeklagte als Vater gesprochen", sagte sie.
Tresor für Munition
Der Amoktäter von Winnenden hatte am 11. März 2009 an seiner ehemaligen Schule neun Schülerinnen und Schüler sowie drei Lehrerinnen erschossen. Auf der Flucht tötete der 17-Jährige drei weitere Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm. 13 Menschen wurden bei dem Amoklauf verletzt.
Die Verteidigung argumentierte, selbst wenn der Vater die Tatwaffe pflichtgemäß verschlossen hätte, wäre sein Sohn an die Waffen und die Munition im Tresor gekommen. Sie geht davon aus, dass der 17-Jährige den Code des Waffentresors gekannt haben muss und sich auch aus diesem mit Munition bediente.