Merkel liegt in Israel im Clinch mit Netanjahu
Zukunftsprojekte und Jugendaustausch spielten nur noch eine untergeordnete Rolle. Bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in Jerusalem ging es um Ägypten, den Nahen Osten - und die harte Haltung Israels gegenüber den Palästinensern.
31.01.2011
Von Jörg Blank und Hans Dahne

Sie kam als Freundin Israels, und sie sprach Klartext. Als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zusammensaß, war man sich schnell grundsätzlich einig - über die Lage im Unruheland Ägypten und die Gefahr, die von Israels Nachbarn für die gesamte Region ausgehen könnte. "Sehr schwierig" sei die Situation, Netanjahu sprach sogar von Dramatik. Die gemeinsame Sorge ist, dass Radikal-Islamisten beim wichtigsten Verbündeten des Westens und Israels in der Region die Oberhand gewinnen könnten.

Die brenzlige Lage in Ägypten macht den Frieden dringlich

Dann kam Merkel rasch auf ein Anliegen zu sprechen, das ihr bei diesen dritten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen besonders wichtig war: den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern. Absolut unbefriedigend sei die monatelange Stagnation in den Friedensgesprächen. Der weiter andauernde Siedlungsbau gefährde den ganzen Prozess. Das ist Merkels Meinung.

Die Kanzlerin, die sich schon lange für eine Zwei-Staaten-Lösung stark macht, verknüpfte das Thema mit einer Frist: Binnen sechs Monaten solle sich konkret etwas bewegen. Wenn die USA vom Spätherbst an im Präsidentschaftswahlkampf seien, werde von dort nicht mehr viel Einsatz für einen Nahostfrieden zu erwarten sein.

Teilnehmer des Treffens zwischen Merkel und Netanjahu berichteten später, die Kanzlerin habe dem 60-Jährigen sehr deutlich gemacht, dass gerade die brenzlige Lage in der Region eine Friedenslösung in Israel umso dringlicher mache.

Bei Netanjahu beißt Merkel auf Granit

Ausführlich sprach sie hinter verschlossenen Türen den Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem an. Ein weiterer Ausbau werde ein ernsthaftes Problem für eine Friedenslösung darstellen, redete Merkel dem Israeli ins Gewissen. Beobachter berichteten, Netanjahu sei zwar intensiv auf die Argumente der Kanzlerin eingegangen - aber ohne, dass er ein Einlenken angedeutet habe. Es liege der westlichen Welt geradezu im Erbgut, zu glauben, Israel sei nicht nachgiebig. Das Problem liege vielmehr bei den Palästinensern, nicht bei seiner Regierung, so Israels Regierungschef.

Beim öffentlichen Auftritt Merkels mit ihm war dann für alle sichtbar, dass die Kanzlerin mit ihrem Vorstoß für neuen Schwung im Friedensprozess bei Netanjahu weitgehend auf Granit biss. Zwar versicherte Merkel auch öffentlich noch einmal ausführlich, dass Deutschland weiterhin engstens an der Seite Israels stehe und die Sorgen des Landes um seine Sicherheit kenne und verstehe. Doch die Replik des Ministerpräsidenten hatte es in sich.

Die Siedlungsproblematik sei zwar gut und schön, aber nicht das Kernproblem. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas müsse vielmehr endlich sagen, dass er den jüdischen Staat anerkenne. Die Sicherheitsbelange seines Landes müssten bei allen Verhandlungen im Mittelpunkt stehen. Und überhaupt: Er wolle keinen Friedensvertrag, der nur auf dem Papier stehe, redete sich Netanjahu in Rage. "Papier garantiert den Frieden nicht."

Merkel: Israel muss den Siedlungsbau beenden

In ihrer Erwiderung ließ Merkel die Diplomatie weitgehend außen vor. Von einer einseitigen Anerkennung eines Palästinenserstaates halte sie gar nichts, sagte sie auf die Frage eines deutschen Journalisten. Um dann klipp und klar als Schlusspunkt hinterherzuschieben: Der Siedlungsbau sollte von Israel augenblicklich beendet werden. Denn das Land könne damit in der aktuellen Situation in der Region "ein Zeichen setzen gegen die Instabilität, die wir überall sehen".

Ob es tatsächlich in ein paar Tagen beim Treffen des Nahost-Quartetts aus UN, EU, den USA und Russland am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz greifbare Fortschritte geben wird, ist offen. In der israelischen Presse heißt es zwar, dass Netanjahu in München Erleichterungen für die Palästinenser ankündigen werde, um der Kritik an Israel die Spitze zu nehmen. Ob der palästinensischen Seite, die einen Siedlungsstopp zur Bedingung für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche gemacht hat, ausreicht, dass Netanjahu Erleichterungen bei der Infrastruktur für den Gaza-Streifen etwa bei der Wasserzufuhr oder der Stromerzeugung ankündigt, ist da mehr als fraglich.

dpa