China wird nervös: "Wer ist das nächste Ägypten?"
Der Aufstand der Tunesier und Ägypter lässt chinesische Führer unruhig werden. Sie fürchten, dass der Ruf nach Wandel auch im Reich der Mitte laut wird. Die Nachrichten werden zensiert. Im Internet werden Kommentare gesperrt, damit der Funke nicht überspringt.
31.01.2011
Von Andreas Landwehr

Die Aufstände der Ägypter und Tunesier gegen ihre autokratischen Regime finden Sympathien im fernen China. Ein Video von einem Demonstranten in Kairo, der einem anrollenden Wasserwerfer den Weg versperrt, weckt schmerzhafte Erinnerungen an den eigenen Volksaufstand vor gut zwei Jahrzehnten, den Chinas Militär 1989 blutig niederschlug: "Müsst ihr sehen! Ägyptens Tian'anmen-Augenblick - ein Kämpfer blockiert Militärfahrzeuge", vergleicht der Bürgerrechtsanwalt Teng Biao auf Twitter das YouTube-Video mit dem berühmten Bild des mutigen Studenten, der sich 1989 nahe des Tian'anmen-Platzes in Peking vor die Panzer gestellt hatte.

Die Protestwelle könnte "den ganzen Weg nach Osten" weiterschwappen, findet Teng Biao - über Libanon, Saudi-Arabien, Iran, Birma, Vietnam bis nach "West-Korea", wie einige chinesische Bürgerrechtler in Anspielung an das diktatorische Regime in Nordkorea neuerdings China bezeichnen. "Die Demokratie westlichen Stils scheint sich auszubreiten", stellt selbst die Zeitung "Global Times" fest. Doch schränkt das englische Sprachrohr des kommunistischen Parteiorgans "Volkszeitung" sofort ein, dass die betroffenen Länder "mit westlichen Gesellschaften nicht vergleichbar" seien.

Internetsperre - Zeichen der Macht oder der Unsicherheit?

Überhaupt betonen Chinas Staatsmedien die Gesetzlosigkeit und das Chaos durch die Unruhen in Ägypten, nicht den Ruf nach einem Ende der drei Jahrzehnte währenden Herrschaft von Husni Mubarak und nach demokratischen Reformen. In Twitter ähnlichen Mikroblogging-Diensten in China ist die Suche nach "Ägypten" gesperrt, um Diskussionen zu verhindern. Ohnehin sind soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Youtube für die 450 Millionen chinesischen Internetnutzer blockiert und nur über Proxy-Server und Tunneldienste erreichbar.

Die Zensur streicht auch Kommentare von Internetnutzern, die so manche Parallele zwischen Ägypten und China sehen und die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Die wenigen, die zu finden sind, lauten: "Demokratie ist eine gute Sache" oder "Monarchie ist nicht die Grundlage für Frieden, sondern Demokratie". Chinas Führer demonstrieren mit den Internetsperren zwar, dass sie alles unter Kontrolle haben, enthüllen zugleich aber ihre eigene Unsicherheit.

Einschüchterungen wirken immer weniger

"Chinas Kommunisten haben allen Grund, besorgt zu sein", sagt der China-Experte Gordon Chang in seinem Blog bei forbes.com. "In einer Welt, die durch Glasfaser verknüpft ist, kreuzt revolutionärer Eifer nicht nur von einem Land zum anderen, sondern auch von einem Kontinent zum anderen." Ähnlich wie die Tunesier und Ägypter verlören die Chinesen zunehmend die Angst vor diktatorischen Systemen. "Das ist ein gefährlicher Moment für Autokraten, selbst wenn sie tausende Kilometer von den Pyramiden entfernt wohnen."

Pekings kommunistische Führer hätten zwar ihre Repressionen in den vergangenen Jahr verschärft, doch wirke die Einschüchterung immer weniger. "Wie wir jetzt wissen, sehen autoritäre Regierungen bis eine Woche, bevor sich ihre Führer zum Flughafen aufmachen, immer unbesiegbar aus", schreibt Gordon Chang unter der Überschrift: "Ägypten ist das nächste Tunesien. Wer ist das nächste Ägypten?"

dpa