Gespannte Ruhe am Morgen in Kairos Stadtzentrum
Ägyptens Hauptstadt Kairo zeigt sich am Morgen in fast gespenstischer Ruhe. Rauchsäulen, die in den Himmel steigen, zeugen noch von den schweren Ausschreitungen während der Proteste gegen das Mubarak-Regime. Die Straßen im Zentrum sind aber weitgehend leer.

Nach den heftigen Protesten der vergangenen Tage hat sich die Lage in der ägyptischen Hauptstadt in der Nacht zum Sonntag nach Medienberichten etwas entspannt. Wie eine Korrespondentin des arabischen Senders Al-Dschasira am Morgen aus Kairo berichtete, sei es in den Straßen des Stadtzentrums ruhig. Am Samstag waren erneut Zehntausende gegen die Regierung von Präsident Husni Mubarak auf die Straßen gegangen. Nach unterschiedlichen Berichten kamen bei den Protesten seit Freitag in ganz Ägypten bis zu 100 Menschen ums Leben. Mehr als 1000 wurden verletzt.

Zwar hätten trotz der Ausgangssperre noch Demonstranten über Nacht auf dem zentralen Tahrir-Platz ausgeharrt. Ihre Zahl sei aber deutlich zurückgegangen, berichtete Al-Dschasira am Sonntag. Auf Livebildern waren am Morgen weitgehend leere Straßen zu sehen, nur das Militär zeigte Präsenz. Aus ausgebrannten Partei- und Regierungsgebäuden stieg Rauch auf.

Plünderungen

Bis zum späten Abend waren noch Ausschreitungen und Plünderungen aus Kairo gemeldet worden. In den Wohnvierteln der Hauptstadt, wo das Militär nicht in Stellung gegangen war, organisierten sich Bewohner in Bürgerwehren, um sich gegen Plünderer zu schützen.

Wie Klinikärzte am Samstagabend mitteilten, wurden auch Krankenhäuser angegriffen. Eine Kinderkrebsklinik sei überfallen und von Plünderern ausgeraubt worden. In einem Krankenhaus im Kairoer Bezirk Abbasija hätten Ärzte Molotowcocktails hergestellt, um das Hospital verteidigen zu können. Das ägyptische Staatsfernsehen zeigte am Abend erstmals Bilder von Dutzenden von Männern, bei denen es sich um festgenommene Plünderer handeln soll.

Informationen per SMS

Demonstranten versuchten laut Al-Dschasira, das Innenministerium zu stürmen, wurden von der Polizei aber daran gehindert. Augenzeugen berichteten, es seien auch Schüsse abgefeuert worden. Dabei sollen mehrere Demonstranten getötet worden sein. Beim Versuch, Insassen des Gefängnisses Abu Saabal in der ägyptischen Provinz Kaljubija zu befreien, starben nach Medienberichten acht Menschen, mehr als 100 wurden verletzt.

Die ägyptische Armee forderte die Bürger über die Mobilfunknetze auf, die bis Sonntag 0800 Uhr (0700 MEZ) geltende Ausgangssperre einzuhalten. Sonst drohten "scharfe Maßnahmen", hieß es in einer SMS, die an alle Mobilfunkkunden verbreitet wurde.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen die ägyptische Regierung und die Demonstranten zum Gewaltverzicht auf. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron den 82-jährigen Mubarak auf, einen Transformationsprozess einzuleiten hin zu einer "Regierung, die sich auf eine breite Basis stützt, sowie freien und fairen Wahlen".

Neue Führungsriege

Mubarak hatte am Samstag eine neue Führungsriege gebildet, in der Geheimdienst und Militär dominieren. Er ernannte Geheimdienstchef Omar Suleiman am Samstag zu seinem Stellvertreter. Suleiman war seit längerer Zeit als möglicher Nachfolger des Staatschefs gehandelt worden. Der General war bisher Mubaraks Mann für heikle Aufträge. Zwischen Israel und den Palästinensern hat er schon mehrfach vermittelt. Auch in den USA wird er geschätzt. Daneben wurde der frühere Luftwaffenstabschef Ahmad Schafik zum neuen Ministerpräsidenten ernannt.

dpa