Neues evangelisches Publizistik-Konzept gefordert
Millionen Menschen auf der Erde haben keinen Zugang zur freien Kommunikation. Doch wer nicht an Informationen kommt, wer von moderner digitaler Medienwelt ausgeschlossen ist, der wird nach Worten des Pioniers der evangelischen Publizistik, Robert Geisendörfers (1910 - 1976), "von einem Geschöpf Gottes zu einem Instrument". Geisendörfer, Begründer des Gemeinschaftswerks der evangelischen Publizistik in Frankfurt am Main, zu dem auch evangelisch.de gehört, ist auch mehr als 30 Jahre nach seinem Tod noch ein Pfeiler für evangelische Medienschaffende.
29.01.2011
Von Jutta Olschewski

Das machte die Generalsekretärin des Weltverbandes für Christliche Kommunikation (Toronto), Karin Achtelstetter, klar, als sie ihn auf der Fachtagung "Religiösen Medienkommunikation in der digitalen Welt" in Erlangen zitierte. Und das wurde im Laufe der gesamten Tagung deutlich. Geisendörfer war auch das Symposium der Abteilung Christliche Publizistik an der Universität Erlangen und des Evangelischen Presseverbandes für Bayern gewidmet.

Geisendörfer sei zu seiner Zeit "das Publizistik-Konzept in einer Person" gewesen, würdigte der Leiter des Referats "Medien und Publizistik" der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Udo Hahn, den Pfarrer, der im Medienbereich bahnbrechend war. Obwohl Geisendörfer noch keine privaten Fernsehsender und keine digitale Medienwelt kannte, können kirchliche Medienvertreter seinen Kerngedanken noch heute unterschreiben: "Die Kirche ist so frei, von der Freiheit der Kinder Gottes Gebrauch zu machen". Geisendörfer untermauerte damit den Anspruch, dass die Kirche eigene professionell arbeitende Medien finanziert, sich aber aus deren Inhalten heraushält.

Täglicher Spagat

Unabhängiger kirchlicher Journalismus bei gleichzeitiger finanzieller Abhängigkeit von der Kirche - das bedeutet einen täglichen Spagat. EKD-Medienbeauftragter Markus Bräuer unterstrich, es dürfe "keinen Verlautbarungsjournalismus" in den Arbeitsbereichen geben. Der Direktor des bayerischen evangelischen Presseverbandes, Roland Gertz, betonte, wie wichtig es für die Redaktionen sei, "inhaltlich frei zu arbeiten".

Um Publizistik in diesem Sinne fortführen zu können, brauche die EKD ein neues publizistisches Gesamtkonzept, sagte Udo Hahn: "Das ist überfällig." Medienarbeit sei heute nur erfolgreich, wenn sie crossmedial arbeite. Das müsse in so einem Konzept verankert sein. Ebenso sollte darin das Verhältnis zwischen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit benannt werden. Das Konzept brauche wissenschaftliche Begleitung, sagte Hahn. Und brachte dafür den Lehrstuhl für Medienpädagogik in Greifswald und das Institut für christliche Publizistik in Erlangen ins Spiel.

Unreflektierter Pragmatismus?

Dessen Leiterin Johanna Haberer vertrat die Auffassung, dass die kirchliche Publizistik mit dem raschen Wandel der Medien nicht Schritt halte. Reflexartig reagiere die Kirche auf den Wandel mit "unreflektiertem Pragmatismus". Der zeige sich darin, dass man wieder die evangelische Konfession herausstelle, wie beispielsweise mit dem Internetauftritt "www.evangelisch.de", sagte Haberer.

Durch die Medien erreicht die evangelische Kirche ein Millionenpublikum. Kein anderes Arbeitsfeld der Kirche könne dies sicherstellen, betonte Udo Hahn. Für die wachsenden Anforderungen reichten aber die bisherigen finanziellen Ausstattungen nicht aus. Er warnte vor einer Kürzung der kirchlichen Mittel für die Medienarbeit, blieb aber optimistisch. Die Publizistik habe gute Chancen in einem Verteilungskampf zu bestehen, meinte Hahn.

epd