Polizei: Dreifacher Vater gesteht Mord an Mirco "aus Stress"
Unauffällig, aus der Gegend, wahrscheinlich ein Familienvater - heute liest sich das Profil für die Fahndung im Fall Mirco wie der Steckbrief des Geständigen. Der Täter hat selbst drei Kinder - und gibt Stress im Job als Motiv an.

Ein dreifacher Vater hat den zehnjährigen Mirco getötet - aus reinem Frust über beruflichen Stress. Diesen Grund habe der 45-Jährige aus Schwalmtal bei der Vernehmung angegeben, sagte der Leiter der Sonderkommission, Ingo Thiel, am Freitag bei einer Pressekonferenz in Mönchengladbach. "Mirco ist ein absolutes Zufallsopfer gewesen." Der Mann sei in dritter Ehe verheiratet, seine Frau und auch die Nachbarn hätten kein verändertes Verhalten des Mannes nach der Tat bemerkt. Zu dem Zeitpunkt sei er Bereichsleiter bei der Telekom gewesen, von Anfang Oktober an habe er im Controlling gearbeitet.

Der in dritter Ehe verheiratete Olaf H. müsse sich nun unter anderem wegen Mordes, Freiheitsberaubung und sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten, sagte die Krefelder Staatsanwältin Silke Naumann. Der 45-Jährige hat die Tat bereits gestanden. Er war am Mittwoch festgenommen worden - 145 Tage nach Mircos Verschwinden. An diesem Tag hatte er die Ermittler bereits zur Leiche geführt, die Eltern erfuhren vom Schicksal ihres Jungen, der mittlerweile elf Jahre alt wäre.

"Eine Zeitbombe unterwegs"

"Er gilt als Familienmensch. Er hat als Hobby seinen Garten", sagte Thiel über den Mann aus Schwalmtal. Er habe bei den Vernehmungen angegeben, am 3. September vergangenen Jahres mit seinem geleasten VW Passat ziellos in der Gegend herumgefahren zu sein, nachdem ihn sein Chef telefonisch "zusammengefaltet" habe.

"Sie können davon ausgehen, dass da eine Zeitbombe unterwegs war", sagte Thiel. Dann habe er gegen 22.00 Uhr Mirco gesehen, der auf seinem Fahrrad nach Hause fuhr. Er habe den Jungen überholt, an einem abzweigenden Weg angehalten, den Jungen abgepasst. Als er ihn aufforderte, ins Auto zu steigen, habe das der Zehnjährige "in seinem Schockzustand" ohne Widerspruch und Gegenwehr getan. Das Fahrrad schob Olaf H. in den Graben - wo es später Passanten fanden.

Der Mann sei dann in ein zwölf Kilometer entfernt liegendes Waldstück gefahren. Es sei wahrscheinlich zu einem Sexualdelikt gekommen, sagte Thiel. An der Stelle habe Olaf H. den Jungen auch getötet - mit dem Gedanken "Den kannste nicht mehr nach Hause lassen" im Kopf. "Der Ablageort ist auch der Tatort." Die sexuelle Komponente sei wohl zweitrangig gewesen, es sei vielmehr um Gewalt, Macht, einen "Akt der Erniedrigung" gegangen. Wie Mirco starb, wollte der Soko- Leiter nicht sagen. Auf der Fahrt nach Hause entledigte Olaf H. sich dann der Beweisstücke: des Handys und der Kleidung des Jungen.

Spuren im Auto des Täters

Bei der beispiellosen Wucht der dann folgenden Ermittlungsaktionen erwies sich ein Zeuge als besonders wichtig: Er hatte den Wagen des Täters am 3. September in dem Weg stehen sehen und auch noch vage das Rücklicht eines Fahrrades ausgemacht. Als die Kleidung Mircos gefunden wurde, konnten daran Faserspuren gesichert werden - und der Hinweis auf einen VW Passat B6 in ganz bestimmter Ausstattungsvariante erhärtete sich. Damit seien aber immer noch 150.000 Wagen in Deutschland infrage gekommen, sagte Thiel.

Der geleaste Passat des 45-Jährigen sei relativ spät untersucht worden, dieser habe das Auto Anfang November mit Auslaufen des Leasingvertrages zurückgegeben. Andere Hinweise auf den Mann hätten zu dem Passat geführt. "Technische Methoden", sagte Thiel dazu nur. Der Wagen sei inzwischen bei einem Mann in Luxemburg gewesen, der ihn am 24. Januar zur Spurennahme zur Verfügung gestellt. "Wir hatten so viel gegen den tatverdächtigen Olaf H., dass wir uns den Wagen auch in Russland geholt hätten." Davor seien schon 1500 Wagen untersucht worden, 2000 weitere hätten noch im näheren Fokus gestanden. Doch der Passat von Olaf H. erwies sich als Volltreffer: Spuren Mircos wurden gefunden.

1000 Polizisten auf der Suche

Auf seine Festnahme am Mittwochmorgen 6 Uhr habe der 45-Jährige erleichtert reagiert, sagte Thiel. Seine Familie habe noch geschlafen. Er habe die Tat bei der Vernehmung rasch gestanden. Der Mann sei völlig ruhig gewesen und habe schließlich erklärt: "Okay, dann sag' ich euch, wo der Junge liegt." Am Nachmittag hätten die Eltern vom Fund der Leiche erfahren. Olaf H. habe keine Vorstrafen. Von pädophilen Neigungen sei nichts bekannt. Er habe drei Kinder im Alter von 2, 14 und 17 Jahren - zwei aus zweiter und eines aus dritter Ehe.

Mit einer der größten Suchaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik hatten zeitweise 1000 Polizisten nach Mirco gesucht. Auch Tornado-Aufklärungsjets der Bundeswehr kamen zum Einsatz. Auf ihren Bildern wurde Mircos Leiche aber nicht entdeckt, weil der Tatort nicht im abgesprochenen Suchgebiet lag. Olaf H. hatte den Jungen nicht vergraben, sondern einfach abgelegt. Auf den Wärmebildern der Tornados wäre er deshalb wohl sicher zu sehen gewesen, gab Thiel an.

In den knapp fünf Monaten nach Mircos Verschwinden erhielten die Ermittler rund 9000 Hinweise aus der Bevölkerung - bei der sich das Team nun auch bedankte. Thiel hatte sich stets zuversichtlich gezeigt, den Täter zu ermitteln. Nun sagte er: "Wir haben hoch gepokert. Wir haben gesagt, wir kriegen ihn. Ich darf ihnen sagen: Wir haben ihn."

dpa