TV-Tipp des Tages: "Frischer Wind" (ARD)
Die Handlung scheint vorhersehbar: Vermögender älterer Herr findet dank hübscher junger Frau ins Leben zurück. Alles wäre wunderbar, wenn bloß seine Kinder nicht so eifersüchtig reagieren würden.
28.01.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Frischer Wind", 4. Februar, 20.15 Uhr im Ersten

Tatsächlich aber ist dies nur der Anfang einer Geschichte, deren Umsetzung vor allem vom ungleichen Protagonistenpaar lebt: Günther Maria Halmer, endlich mal nicht wie zuletzt so oft als Grantler mit Herz, versieht den verwitweten Hamburger Handschuhfabrikanten Tobaben mit viel Würde und noch mehr Trauer. Als er im Gedenken an die Gattin einige Tage in ihrem Lieblingshotel in Travemünde verbringt, lernt er Luzy kennen. Die lebhafte junge Frau ist abends Bardame und tagsüber Zimmermädchen, weil ihr Freund sie mit einem Haufen Schulen sitzen gelassen hat. Sie schließt diesen Mann, der mit Leichtigkeit ihr Vater sein könnte, auf Anhieb ins Herz. Er wiederum findet mit Hilfe ihrer Unbekümmertheit neuen Lebensmut, engagiert sie vom Fleck weg als Gesellschafterin und nimmt es gelassen in kauf, dass sich die vornehme hanseatische Gesellschaft prompt die Mäuler zerreißt.

Kein schlichtes Gut/Böse-Schema

Halmer ist gut wie immer, das war zu erwarten. Um so größer ist der nachhaltige Eindruck, den Teresa Weißbach hinterlässt. Die blonde Sächsin, bislang unter Wert überwiegend in Nebenrollen besetzt (unter anderem in den beiden ProSieben-Horrorfilmen "Gonger"), spielt derart erfrischend, dass man sich gern gemeinsam mit Kurt Tobaben verzaubern lässt. Klugerweise reduziert Autorin Gabriele Kreis die Handlung nicht auf ein schlichtes Gut/Böse-Schema. Tobabens Tochter Karin (Floriane Daniel) ist zwar schockiert, als ihr Vater mit dem "Flittchen" auftaucht, aber der vordergründige Konflikt lässt vor allem eine alte Wunde wieder aufbrechen: Der Unternehmer hatte während Karins Kindheit nie Zeit für sie und wollte sowieso einen Sohn. Den hat er später zwar bekommen, aber Kai (Ole Tillmann) will lieber Koch werden, anstatt den väterlichen Betrieb zu übernehmen.

Eigentlich meint es Karin ja auch gut, als sie eine Nachbarin Kurts dazu anstiftet, dem Vater die Einsamkeit zu vertreiben. Sie ist einer dieser Menschen, die sich für alle verantwortlich fühlen. Während die engelsgleiche Luzy für Kurt ein Geschenk des Himmels ist, sieht Karin bloß, dass die "Sirene aus Bitterfeld" den Platz einnimmt, denn der Vater ihr immer vorenthalten hat. Es gehört zur Qualität dieses Films (Regie: Imogen Kimmel), dass sich die Geschichte dann allerdings in eine ganze andere Richtung entwickelt.

Halmer und Weißbach harmonieren derart prächtig miteinander, dass man großzügig über die gelegentlichen Anleihen des Drehbuch bei "Pretty Woman" hinwegsehen kann. Gelungen ist auch die Balance zwischen romantischer Nähe und einfacher Freundschaft, denn lange bleibt offen, ob die Anziehungskräfte zwischen dem Witwer und dem Wirbelwind nicht auch erotischer Natur ist.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).