TV-Tipp: "Schimanski: Schuld und Sühne" (ARD)
Als sich ein junger Polizist das Leben nimmt, sind die Kollegen zwar bestürzt, gehen den Gründen für den Suizid jedoch nicht weiter nach. Schimanski aber lässt nicht locker.
28.01.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Schimanski: Schuld und Sühne", 30. Januar, 20.15 Uhr im Ersten

Rund 150 Filmfiguren hat Götz George im Lauf seiner bald sechzig Jahre langen Karriere gespielt. Die meisten Menschen werden seinen Namen jedoch nach wie vor mit Schimanski verbinden, dem proletarischen Polizisten aus Duisburg. Und das nicht nur, weil sich George 45 mal die typische Jacke des ehrlichen Bullen übergestreift hat: von 1981 bis 1991 29 mal im Rahmen des "Tatort", seit 1997 in 16 Einzelfilmen. Natürlich war Schimanski vor dreißig Jahren ein völlig neuer Ermittlertypus. Aber der nachhaltige Ruhm ist auch der überzeugenden Urwüchsigkeit zu verdanken, mit der George diesen so erfrischend poltrigen Kriminalhauptkommissar verkörpert.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, zumal er klugerweise gar nicht erst versucht, das Alter des pensionierten Polizisten zu verhehlen. Man mag George (72) die Jahre nicht ansehen, aber dass Schimanski seine beste Zeit hinter sich hat, ist offenkundig. Um so sympathischer sind die selbstironischen Momente, wenn das einstige Raubein in "Schuld und Sühne" einen Gegner mit einem Tritt zwischen die Beine erledigt und sich anschließend dafür entschuldigt ("Ich weiß, so wehren sich nur Mädchen").

Natürlich ist es pure Nostalgie, dass der Rentner immer wieder mal ermitteln darf, schließlich wirkt er mit seiner Integrität, seinem ausgeprägten Moralempfinden und dem klaren Bekenntnis zu seinen sozialen und geografischen Wurzeln in der globalisierten Welt wie ein Fossil. Das weiß er selbst am besten. "Ein scheiß Job", kommentiert er die Arbeit der Kollegen, die sich auf offener Straße von Jugendlichen anpöbeln lassen müssen: "Möcht’ ich heute nicht mehr machen." Gerade deshalb aber gibt er sich mit dem Offenkundigen nicht zufrieden: Schimanski ist in einer Welt aufgewachsen, in der er früh gelernt hat, dem Anschein zu misstrauen.

Schimanski lässt nicht locker

Als sich ein junger Polizist das Leben nimmt, sind die Kollegen zwar bestürzt, gehen den Gründen für den Suizid jedoch nicht weiter nach. Schimanski aber lässt nicht locker und findet raus, dass Oliver, Sohn einer alten Freundin (Ulrike Kriener), im Auftrag der Abteilung für interne Ermittlungen die eigenen Kollegen ausforschen sollte. Tatsächlich zeigt sich, dass einige im Revier Dreck am Stecken haben müssen; die Frage ist nur, wer (als uniformierte Polizisten unter anderem Bernd Tauber sowie Hannes Jaenicke, der 1984 mit George in dem Kino-Thriller "Abwärts" seine erste Rolle gespielt hat).

Zum Klima des Misstrauens passen nicht nur die diversen heruntergekommenen Handlungsorte, sondern auch die frostig-feindselige Atmosphäre, die Regisseur Thomas Jauch und Kameramann Clemens Messow kreieren. Jauch inszeniert die Geschichte (Buch: Jürgen Werner) zwar nicht als Referenz an den Mythos Schimanski, doch mit spürbarem Respekt vor der Figur. Körperlichkeit spielt nach wie vor eine große Rolle, aber es gibt kaum Action-Szenen. Gefühle sind hier einfach wichtiger: Schimanski fehlendes Verständnis für korrupte Beamte, die Loyalität zu seinen Leuten, die raue, aber herzliche Freundschaft zum ähnlich unverwüstlichen Hänschen (Chiem van Houweninge). Geschickt weckt die Dramaturgie zudem Neugier auf die Vorgeschichte, die in Form einer langen Rückblende erzählt wird: Zu Beginn scheint Schimanski nach einem angeblichen Amoklauf am Ende. 77 Filmminuten später schließt sich der Kreis; aber danach passiert noch eine ganze Menge.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).