TV-Tipp: "66/67 - Fairplay war gestern" (Arte)
Es ist zwar die Begeisterung für Eintracht Braunschweig, die die Hauptfiguren von "66/67 - Fairplay war gestern" zusammenschweißt, aber entscheidender ist eine andere Gemeinsamkeit: Sie sind samt und sonders Verlierer.
28.01.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"66/67 - Fairplay war gestern", 29. Januar, 22.00 Uhr auf Arte

Wenn es im Film Fußball geht, wird gern betont, es handele sich aber keineswegs um einen Fußballfilm. Meist stimmt das auch, weil der Sport bloß Mittel zum Zweck ist. Es ist zwar die Begeisterung für Eintracht Braunschweig, die die Hauptfiguren von "66/67 - Fairplay war gestern" zusammenschweißt, aber entscheidender ist eine andere Gemeinsamkeit: Sie sind samt und sonders Verlierer.

In der Saison 1966/67 ist die Eintracht Deutscher Meister geworden. Deshalb tragen die Männer aus diesem dritten gemeinsamen Film von Carsten Ludwig (gebürtiger Braunschweiger) und Jan-Christoph Glaser ("1. Mai", "Detroit") voller Stolz ein entsprechendes Brandzeichen auf der Brust, und deshalb heißt auch das Werk so: "66/67". Der Zusatz "Fairplay war gestern" darf dabei durchaus als Abschreckung verstanden werden, denn die Begeisterung der Ultra-Fans für ihren Club drückt sich nicht zuletzt im Hass auf gegnerische Anhänger aus; die Freigabe ab 16 verdankt der Film vor allem einer reichlich drastischen Gewaltszene.

Fast zu alt, um noch erwachsen zu werden

Im Vordergrund steht allerdings das Leben, und das fordert seinen Preis. Auch wenn die Protagonisten mit circa dreißig schon fast zu alt sind, um noch erwachsen zu werden: Genau darum geht es. Der eine (Fabian Hinrichs) steht vor den Trümmern seines gescheiterten Lebensentwurfs, der andere (Christian Ahlers) soll die chinesische Filiale des Familienbetriebs übernehmen, und für einen Dritten (Christoph Bach) ist der Zug längst abgefahren; seine Perspektive heißt Hartz IV.

Die jungen Darsteller (außerdem noch Melika Foroutan, Maxim Mehmet und Fahri Ogün Yardim) machen ihre Sache ausgezeichnet. Hinrichs übertreibt zwar mitunter ein wenig, spielt aber auch die Figur mit dem größten Aggressionspotenzial: Florian kommt erst zu sich, als er einen völlig unbescholtenen Hannover-Fan wie im Rausch fast zu Tode prügelt. Die reizvollere Figur ist ohnehin Otto, denn der ist schwul; ein Tabuthema nicht nur bei Fußballern, sondern auch in Fan-Kreisen. Geschickt ist auch die Dramaturgie der Geschichte: Auf dem Klo fällt Ottos Blick auf den Spruch "Das Chaos ist aufgebraucht – es war die beste Zeit"; dann wird in Rückblende erzählt, wie die Clique auseinander fällt. Großen Anteil an der Wirkung des Films hat zudem Dirk Dresselhaus, dessen harte punk-rockige Musik gewissermaßen den Nährboden für die gewalttätige Atmosphäre liefert.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).