Niederlande beschließen neuen Afghanistan-Einsatz
Im Sommer 2010 zogen die Niederlande ihre Soldaten aus Afghanistan zurück - als erstes westliches Land. Auf Drängen der Nato schicken sie nun Polizeiausbilder. Aber an Militäraktionen sollen die von Holländern geschulten Polizisten keinesfalls teilnehmen dürfen.

Ein halbes Jahr nach dem Rückzug ihrer Soldaten aus Afghanistan haben die Niederlande eine neue Mission am Hindukusch beschlossen. Zur Ausbildung von Polizisten werden 545 Experten sowie Sicherungskräfte vor allem in der nordafghanischen Provinz Kundus eingesetzt. Nach teils kontroversen Debatten bei einer Nachtsitzung des niederländischen Parlaments gaben am frühen Freitagmorgen kleinere Oppositionsparteien ihren Widerstand auf und ermöglichten damit eine knappe Mehrheit für das Mandat. Dafür machte die Regierung erhebliche Zugeständnisse: Die afghanischen Polizisten sollen nicht an der Seite des Militärs gegen die Taliban kämpfen dürfen.

Der rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte erklärte, er sei sehr froh, dass die Niederlande "Teil der Weltgemeinschaft" blieben und wieder zusammen mit mehr als 50 anderen Staaten einen Beitrag in Afghanistan leisteten. Für den Einsatz stimmten neben den regierenden Rechtsliberalen und Christdemokraten die Linksliberalen, die Grün-Linken sowie zwei kleinere christliche Parteien. Dagegen votierten die Abgeordneten der sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA), der Sozialistischen Partei (SP) sowie der populistischen Freiheitspartei (PVV) des Islamgegners Geert Wilders. Die PVV ist eigentlich die wichtigste Stütze der Minderheitsregierung im Parlament, jede neue Entsendung von Niederländern nach Afghanistan abzulehnen.

Zivile Nutzung der Ausbildungsmission

Um dennoch die notwendige Mehrheit für das Mandat zu bekommen, ging Rutte auf Forderungen aus der Opposition ein und versprach, für eine ausschließlich zivile Nutzung der Ausbildungsmission zu sorgen. Von der Regierung in Kabul verlange man Garantien, dass die Polizisten nach ihren Trainingskursen auf keinen Fall bei militärischen Aktionen eingesetzt werden, sondern ausschließlich im Rahmen normaler Polizeiarbeit. Andernfalls sollten die Ausbilder wieder abgezogen werden.

PvdA-Vorsitzender Job Cohen bezeichnete derartige Zusagen als unglaubhaft und nicht kontrollierbar. Für die afghanische Polizei sei es normal, auch in Kämpfe der Armee gegen Taliban-Rebellen verwickelt zu werden. Daran würden anderslautende Beteuerungen aus Kabul nichts ändern.

Die Niederlande waren im Sommer 2010 das erste westliche Land, das alle seine Soldaten aus Afghanistan zurückholte und damit seinen Militäreinsatz gegen die islamistischen Taliban beendete. Zuvor war in Den Haag eine schwarz-rote Koalition im Streit über den Militäreinsatz zerbrochen. Die Nato appellierten dann an die neue Regierung, Afghanistan wenigstens bei der Polizeiausbildung zu unterstützen. Laut Umfragen lehnen 68 Prozent der niederländischen Bevölkerung auch einen solchen Einsatz ab. Für den Schutz der niederländischen Ausbilder sollen nach Absprachen mit der Bundesregierung die in Kundus stationierten deutschen Soldaten sorgen.

Bundestag stimmt über Afghanistan-Mandat ab

Die Grünen haben vor der Abstimmung des Bundestages am Freitag ihre Kritik am neuen Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bekräftigt. Das Mandat müsse einen konkreten Abzugsplan enthalten, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth der Internetausgabe der "Zeit". Andere Länder wie die USA hätten dies schließlich auch geschafft.

Nötig sei ein Friedensplan für Afghanistan, der auch die Zeit nach dem Abzug berücksichtigte. Bisher fehle die langfristige Perspektive, sagte Roth. Die militärischen Erfolge der Alliierten beurteilt die Politikerin skeptisch. Die Internationale Afghanistan-Schutztruppe Isaf verfolge nicht mehr eine Strategie, die die Absicherung des zivilen und politischen Wiederaufbaus klar in den Mittelpunkt stellte. Einen sofortigen Abzug aus Afghanistan, wie von der Linkspartei gefordert, lehnt Roth aber ab.

Nach dem Willen der Regierung soll der Einsatz um ein Jahr bis Februar 2012 verlängert werden. Erstmals wird aber auch ein Zeitrahmen für den Abzug der ersten deutschen Soldaten genannt: Wenn es die Lage erlaubt, soll er Ende dieses Jahres beginnen. Die Höchstgrenze für das Bundeswehrkontingent soll bei 5000 Soldaten bleiben - plus einer Reserve von 350 Mann. Derzeit sind in Afghanistan 4 860 Bundeswehrsoldaten im Einsatz.

Eine breite Zustimmung zu der Verlängerung des Einsatzes gilt als sicher. Neben den Koalitionsfraktionen will auch eine große Mehrheit der Sozialdemokraten das Mandat unterstützen. Die Grünen werden sich voraussichtlich mehrheitlich enthalten. Die Linke ist die einzige Fraktion, die strikt gegen den Einsatz ist.

dpa