Wie die Marineschüler Abschied von Sarah nahmen
Nach dem tödlichen Unfall auf dem Marine-Segelschulschiff "Gorch Fock" haben die Offiziersanwärter sofort seelischen Beistand erhalten. Vor Ort in San Salvador de Bahia kümmerte sich ein katholischer Pfarrer um sie, in der Marineschule in Flensburg-Mürwik wartete Militärdekan Ralf Zielinski.
27.01.2011
Von Anne Kampf

Während in Berlin noch Untersuchungen zu dem Vorfall am 7. November laufen, finden die Offizieranwärter der Marineschule in Flensburg-Mürwik langsam in ihr normales Leben zurück. Die Trauer um ihre Kameradin Sarah Lena Seele belastet die jungen Soldaten zum Teil schwer, das hat Militärdekan Ralf Zielinski (Foto: PIZ Marine) deutlich gemerkt.

Von dem tödlichen Unfall erfuhr der Militärdekan am 7. November vom Kommandeur der Marineschule. Zunächst war man davon ausgegangen, Sarah sei verletzt - doch dann musste Ralf Zielinski der Mutter der jungen Obermaat die Todesnachricht überbringen. "Danach", so erinnert sich der Pastor mit der ruhigen Stimme, "habe ich sofort mit dem Kommandanten des Schiffes telefoniert und gefragt, ob sie Seelsorge brauchen."

Norbert Schatz habe "Ja" gesagt - aber auch, dass sie vor Ort in San Salvador de Bahia schon versorgt seien: Ein deutschsprachiger katholischer Pfarrer war bereit, dort in Südamerika für die Besatzung der Gorch Fock einen Trauergottesdienst zu halten. Später gab es in Flensburg-Mürwik ebenfalls eine Trauerfeier für Sarah, darüber hinaus wurde ihre Familie von einem Militärpfarrer weiter betreut.

Im Nachhinein dachte Ralf Zielinski: "Wäre doch auf dieser Ausbildungsfahrt der Gorch Fock ein Pfarrer dabei gewesen!" Regelmäßig nimmt die Marine den Service der Militärpfarrämter in Anspruch, manchmal ist die geistliche Begleitung allerdings aus praktischen Gründen nicht möglich: Auf dem Schiff gibt es einfach sehr wenig Platz. "Man weiß es vorher nicht", seufzt der Militärdekan.

Dennoch konnte er einiges für die Offiziersanwärter tun, die nach Mürwik zurückgebracht wurden: Nach dem großen Gottesdienst mit allen Angehörigen der Marineschule lud er die Auszubildenden zu Gruppen- und Einzelgesprächen ein - und fast alle nahmen daran teil. Ihr Hauptthema: Die Trauer um Sarah.

"Manche haben sch sofort geöffnet, andere erstmal abgewartet", berichtet Zielinski. Das wichtigste sei für die Marineschüler gewesen, von ihren Erlebnissen zu erzählen. Die meisten wussten noch genau, wo sie sich in dem Moment, in dem Sarah stürzte, aufgehalten hatten und womit sie gerade beschäftigt waren. Einige hatten gesehen oder gehört, wie ihr Körper auf dem Deck aufgeprallt war.

"Gerade dieses Geräusch haben viele beschrieben", erzählt Zielinski, "und ich habe ihnen gesagt: Das ist normal. Man erinnert sich vor allem an Geräusche und an Gerüche - und es zieht einen runter. Auch das ist normal." Zielinskis Hauptaufgabe in diesen Gesprächen: Zuhören. Das half. Manche Offizieranwärter meldeten ihm das sogar zurück, wie gut es getan habe, sich alles von der Seele zu reden.

"Trauer braucht ihre Zeit", erklärt Zielinski. Bei einem solchen Erlebnis, das sehr nahe geht, müsse man allerdings auf eines achten: Dass es sich nicht in der Seele festsetzt, sondern mit der Zeit weniger wird. Einige Marineschüler wünschten sich zur Bewältigung ihrer Trauer einen weiteren Gottesdienst: Der fiel mit rund 20 Teilnehmern kleiner aus als die ersten beiden und war sehr persönlich gehalten: Jeder Teilnehmer nahm in dieser Feier mit einer symbolischen Geste Abschied von seiner Kameradin Sarah.


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.