Zusammen mit dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski will Bundespräsident Wulff dabei auch ehemalige Häftlinge treffen. Wulff besucht gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit am Internationalen Holocaust-Gedenktag das ehemalige Konzentrationslager der Nationalsozialisten.
Bei der Gedenkstunde im Bundestag wird heute erstmals ein Vertreter der Sinti und Roma vor den Abgeordneten sprechen. Der 73-Jährige Zoni Weisz überlebte die NS-Zeit als Kind in einem Versteck in den Niederlanden, während Eltern und Geschwister nach Auschwitz deportiert wurden. Laut Schätzungen wurden bis zu 500.000 Sinti und Roma in Konzentrationslagern ermordet.
Seit 1996 wird in Deutschland am 27. Januar an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. An diesem Tag hatten sowjetische Soldaten 1945 die Insassen des Lagers Auschwitz befreit.
Nach einem Gang über das Gelände des ehemaligen KZ Auschwitz und einer Kranzniederlegung an der Todesmauer findet die zentrale Gedenkveranstaltung im ehemaligen Lager Auschwitz-Birkenau statt, bei der auch der Bundespräsident sprechen wird. Wulff erklärte vor seiner Abreise: "Jede Generation muss sich den Fragen erneut stellen, die Auschwitz aufwirft. Wie konnte es zu einem solchen Zivilisationsbruch kommen? Wie können wir verhindern, dass sich solche Verbrechen wiederholen?"
"Neuen Antisemitismus bekämpfen"
Den Bundespräsidenten begleiten nach Auschwitz vier Überlebende des Vernichtungslagers, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sowie Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte am Vorabend des Holocaust-Gedenktages mehr Anstrengungen im Kampf gegen neue Formen des Antisemitismus. Wenn der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad zur Vernichtung Israels aufrufe, dann müsse die Welt entschlossen handeln, sagte Netanjahu am Mittwoch bei einer Sondersitzung des israelischen Parlaments. "Ich erwarte von der Welt, ihre Lektion zu lernen und mit Worten und Taten den neuen Antisemitismus zu bekämpfen."
Graumann: Erinnerung an den Holocaust wachhalten
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hat ein aktives Erinnern an die Vernichtung der Juden in der NS-Zeit gefordert. Auch ein ritualisiertes oder institutionalisiertes Gedenken sei besser als ein planvolles Vergessen, wobei nicht die Juden selbst an den Holocaust erinnert werden müssten, sagte Graumann am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Im Bundestag findet am Vormittag eine Gedenkstunde für die Holocaust-Opfer statt.
"Wir Juden, wir brauchen keinen Gedenktag, jemand wie ich, der aus der zweiten Generation kommt, der geprägt ist von den Erzählungen, den Traumatisierungen seiner Eltern, ich brauche persönlich keinen Gedenktag, denn für mich ist jeder Tag Holocaust-Gedenktag", sagte der Zentralrats-Präsident. Man müsse aber den Mut haben, die Erinnerung weiterzutragen und über diese Dinge zu sprechen, "wir brauchen dafür Menschen, die das Ganze überhaupt interessiert, Menschen die zuhören wollen, damit sie auch besser verstehen können."
Heute leben die Juden in Deutschland nach Einschätzung Graumanns so gut, sicher und frei wie noch nie. Man sei dabei, trotz allem, was passiert ist, eine neue jüdische Gemeinschaft aufzubauen. Allerdings gebe es in Deutschland weiterhin Antisemitismus. Graumann nannte in diesem Zusammenhang vor allem die NPD und forderte ein Verbot der rechtsradikalen Partei.
Um das Gedenken an den Holocaust wachzuhalten, plädierte Graumann für mehr aktiven Anschauungsunterricht. "Ich werbe dafür, dass mehr junge Menschen die Konzentrationslager besuchen, wir brauchen in Deutschland keine Holocaust-Museen, wir haben die Konzentrationslager vor Ort", sagte der Zentralrats-Präsident. Wer als junger Mensch ein KZ besuche, sei ist ein Leben lang "immunisiert gegen das Gift von Rassismus und Menschenfeindlichkeit", zeigte sich Graumann überzeugt.