Der Herr hat's gegeben - Was ist mit Herfords Kirchenmillionen?
Die Kirchenleitung verspricht Schadensbegrenzung durch Aufklärung - und die ist auch dringend nötig, seit in Ostwestfalen ein bis dato geheimes Vermögen von annähernd 50 Millionen Euro aufgetaucht ist. Nun sucht der Kirchenkreis Herford nach einem Neuanfang.
26.01.2011
Von Holger Spierig

Für viele war es ein Schock. Seit vor anderthalb Wochen im ostwestfälischen Kirchenkreis Herford ein über Jahrzehnte heimlich angespartes Sondervermögen von fast 50 Millionen Euro auftauchte und bundesweit für Schlagzeilen sorgte, kommt die Kirche in der Region nicht mehr zur Ruhe. Pfarrer erleben in ihren Gemeinden Empörung, Staunen und hitzige Diskussionen.

"Wir wussten von der ganzen Geschichte nichts", sagt Pfarrer Olaf Reinmuth, stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses im Kirchenkreis. Am Samstag dürfte es heiß hergehen: Dann befasst sich die Kreissynode mit dem unverhofft aufgetauchten Millionenschatz.

Andere, die Bescheid wussten, empfinden den Schritt an die Öffentlichkeit als Befreiung. Als Pfarrerin Anke Hülsmeier 2008 in den Herforder Kreissynodalvorstand kam, wurde sie über das Geheimnis informiert - zugleich aber zur Verschwiegenheit verpflichtet. "Ich war zunächst entsetzt und fand, dass das vor die Synode muss", erzählt sie. Sie habe auch überlegt, ihr Amt niederzulegen. Dann entschloss sie sich aber, weiterzumachen und sich dafür einzusetzen, dass das Geheimvermögen transparent gemacht werde.

Noch vor kurzem Etat- und Stellenkürzungen

Gebrochen wurde das jahrzehntelange Schweigen von Michael Krause, der 2009 das Amt des Superintendenten im Kirchenkreis übernahm. Bis dahin wurde das Wissen über den Geheimfonds von Superintendent zu Superintendent weitergegeben, darüber hinaus war nur kleiner Kreis eingeweiht. "Ich kann nicht den Kirchengemeinden sagen, Ihr müsst sparen, und dann liegen 50 Millionen auf dem Konto", begründet Krause seinen Schritt an die Öffentlichkeit. Die Verantwortlichen hätten im Jahr 1967 in guter Absicht gehandelt, als sie 1,5 Millionen D-Mark größtenteils aus Kirchensteuern als "Sparbuch" für schlechte Zeiten anlegten.

Angesichts klammer Kirchenkassen müsste zwar eigentlich eitel Freude herrschen über das unverhoffte Vermögen. Nach einem harten Sparkurs, den sich der Kirchenkreis in den letzten Jahren verordnete, herrschen stattdessen aber eher Empörung und Enttäuschung. Mit dem Wissen um das Vermögen hätten die Einschnitte schonungsvoller und über längere Zeiträume hinweg umgesetzt werden können, sagen Gemeindemitglieder.

Vor sechs Jahren waren Kürzungen von drei Millionen Euro auf den Weg gebracht worden, Stellen etwa bei Jugend- und Öffentlichkeitsarbeit wurden gestrichen. Bei Kantoren, Jugendmitarbeitern und Küstern wurden Stunden gekürzt. In den Gemeinden kenne jeder eine Reinigungshilfe oder einen Küster, der heute dort nicht mehr arbeite, erklärt Pfarrer Berthold Keunecke. Wer den Sparkurs mitgetragen habe, fühle sich jetzt getäuscht und im Stich gelassen. "Das hat schon die Atmosphäre vergiftet", sagt der Theologe.

"Schadensbegrenzung durch Aufklärung"

Befürchtet wird jetzt ein Spendenrückgang. "Unsere Aktion für ein freiwilliges Kirchgeld werden wir in diesem Jahr voraussichtlich nicht machen", kündigt Pfarrer Reinmuth an. Das Geld werde zwar gebraucht für die Kirchenmusik oder um den Hausmeister zu bezahlen. Doch die Menschen könnten kaum verstehen, "wenn wir jetzt Bedürftigkeit signalisieren". Pfarrerkollege Keunecke setzt auf "Schadensbegrenzung durch gute Aufklärung".

Anlass zu Spekulationen gibt die überaus hohe Rendite von durchschnittlich rund zehn Prozent. Nach Einschätzung einiger Finanzexperten sind solche Gewinne ohne Risikopapiere kaum zu erreichen. Wenn man die Märkte und den Zinseszinseffekt bis in 60er Jahre zurück berücksichtige, könnte es aber durchaus um Geldanlagen nach kirchlichen Richtlinien gehandelt haben, meint dagegen eine Sprecherin der kirchlichen KD-Bank in Dortmund.

Von der Kreissynode am Samstag erhoffen sich die Gemeinden jetzt Klarheit. "Wir erwarten, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird, dass aufgearbeitet und informiert wird", sagt Keunecke. Der Kreissynodalvorstand wird wohl zurücktreten, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Superintendent Krause kündigte eine "ehrliche Aussprache und eine transparente Darstellung" an - und bat um einen behutsamen Umgang zwischen den Mitwissern um das Sondervermögen und jenen, die von nichts wussten.

epd