Mit der neuen "Christlichen Patientenvorsorge" solle ein Weg zwischen unzumutbarer Verlängerung und nicht verantwortbarer Verkürzung des Lebens aufgezeigt werden, erläuterten evangelische und katholische Bischöfe am Mittwoch in Köln. Die Frage menschenwürdigen Sterbens betreffe alle Menschen elementar. Mit dem neu gefassten Formular reagieren die Kirchen auf das seit dem 1. September 2009 geltende Patientenverfügungsgesetz.
In dem Gesetz ist festgelegt, dass schriftliche Verfügungen von Patienten für Ärzte und Angehörige bindend sind. Im Unterschied zum neuen Gesetz, das auch Therapiebegrenzungen für nicht-tödlich verlaufende Krankheiten zulässt, ist die Wirkung der christlichen Patientenverfügung auf die Sterbephase begrenzt. Danach sollen lebenserhaltende Maßnahmen bei Krankheiten, die nicht zum Tod führen, nicht ausgeschlossen werden, wie sich aus den Erläuterungen ergibt. Im Blick auf Wachkomapatienten vertreten die Kirchen gemeinsam die Position, bei diesen Patienten handele es sich nicht um Sterbende.
Wille des Partienten ist Grundlage
Es sei "sinnvoll und ethisch verantwortlich", Vorsorgeverfügungen zu treffen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Patienten könnten in gesunden Tagen wirksam bestimmen, welche ärztliche Behandlung am Lebensende erfolgen darf oder unterbleiben soll, wenn sie sich nicht mehr äußern könnten. Der Wille des Patienten sei die Grundlage jeder Behandlung und Vorsorgeverfügung. Die Selbstbestimmung des Patienten und die Fürsorge für ihn müssten aber aufeinander bezogen sein.
"Niemand darf zum Sterben gedrängt werden, aber auch ein Sterbender nicht zum Leben gezwungen werden", argumentierte Zollitsch. Er verwies auch auf die Grenzen einer Patientenverfügung. Kennzeichnend für die Christliche Patientenvorsorge sei deshalb die Ablehnung von Tötung auf Verlangen und ärztlicher Beihilfe zur Selbsttötung.
Vertrauenspersonen nehmen zentrale Rolle ein
Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Jochen Bohl, unterstrich die zentrale Rolle der Vertrauensperson, die dem verfügten Willen des Patienten Geltung verschafft. "Denn die Erfahrung zeigt, dass sich das Lebensende auch durch Behandlungswünsche und eine Patientenverfügung nicht detailliert planen oder in allen Einzelheiten rechtlich regeln lässt", sagte Bohl.
Deshalb werde von den Kirchen empfohlen, Behandlungswünsche und Patientenverfügung immer mit einer Vorsorgevollmacht zu verbinden. Sie gewährleiste, dass eine Verfügung nicht übergangen oder anders interpretiert werde, als der Patient dies gewünscht hätte. Zugleich lehnte Bohl Überlegungen innerhalb der Ärzteschaft, den Ärzten die Beihilfe zur Selbsttötung ethisch zu erlauben, klar ab.
"Zeugnis ökumenischen Zusammenwirkens"
"Wir wollen Menschen ermutigen, sich mit dem Sterben und den eigenen Wünschen im Umgang mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung auseinanderzusetzen", sagte Landesbischof Friedrich Weber als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, die an der Neufassung der Christlichen Patientenvorsorge beteiligt war. Das Dokument sei ein "Zeugnis ökumenischen Zusammenwirkens".
Auch der katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff betonte die Übereinstimmung beider Kirchen bei der Patientenverfügung. Gemeinsame Grundaussage sei die "Überzeugung, dass der Tod ein Ereignis ist, dass man nicht einfach selbst wählt", sagte der Freiburger Theologieprofessor, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, im Deutschlandradio Kultur. "Aber das besagt nicht, dass man nun gezwungen wäre, alle denkbaren technischen Möglichkeiten der Lebensverlängerung, über die die moderne Medizin verfügt, auch tatsächlich durchzuführen."
Kritik von der Hospizstiftung: keine wirkliche Hilfe
Hingegen kritisierte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Wolfram Höfling, die christliche Patientenverfügung sei keine wirkliche Hilfe. Für die schwierigen Praxisfälle einer demenziellen Erkrankung fehlten überzeugenden Hinweise für eine Verfügung, die den Menschen die Möglichkeit biete, Behandlungen abzulehnen oder gewünschte Behandlungen einzufordern. Entsprechendes gelte auch für die Ausführungen zum Wachkoma.
In Deutschland hatten die Kirchen zum ersten Mal 1999 eine und in zweiter Auflage vier Jahre später eine christliche Patientenverfügung herausgegeben. Von dieser Handreichung wurden den Angaben zufolge rund drei Millionen Exemplare bestellt. In der aktuellen Fassung mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren würden die Vertrauensperson des Patienten in den Vordergrund gestellt und die Bestimmungen für die ärztliche Behandlung genauer gefasst, erläuterte Bohl.
Die "Christliche Patientenvorsorge" ist als Download im Internet unter www.ekd.de und www.dbk.de zu finden.