Ansteckung wie bei Grippe: Lepra noch nicht ausgerottet
Einige Menschen sind verstümmelt, andere teilweise gelähmt: Lepra ist auch fast 140 Jahre nach der Entdeckung des Erregers in vielen Ländern nicht ausgerottet. Dabei gibt es wirksame Medikamente.
24.01.2011
Von Angelika Röpcke

Entstellt, behindert, ausgestoßen. Leprakranke werden in vielen Teilen der Welt weiterhin stigmatisiert. Sie finden keine Partner, ihnen werden bestimmte Grundrechte vorenthalten. In Nepal ist die heilbare Infektionskrankheit sogar ein Scheidungsgrund. Im Senegal durften Leprakranke lange Zeit nicht wählen, nach China oder in die USA dürfen sie offiziell nicht einreisen. Der Welt-Lepra-Tag am Sonntag (30. Januar) soll auf die Situation der zum Teil gelähmten und entstellten Betroffenen aufmerksam machen.

Das Stigmapotenzial ist in etlichen Ländern nach wie vor hoch, auch in Deutschland. Dabei sind die meisten Menschen genetisch immun. "Man steckt sich mit der Lepra durch eine Tröpfcheninfektion an wie mit der Grippe, nur dass die Lepra bei weitem weniger infektiös ist", erklärt der medizinische Leiter der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW), Adolf Diefenhardt. "Infizieren kann sich jeder, aber nur fünf bis zehn Prozent der Menschen erkranken."

Besonders betroffen: Brasilien, Indien, Südsudan

Der Infektionsweg ist fast 140 Jahre nach der Entdeckung des Bakteriums (Mycobacterium leprae) im Jahr 1872 nicht im Detail bekannt. Lepra ist eine Bakterieninfektion der Haut und des Nervensystems. Problematisch sind vor allem die "stillen Überträger", also Menschen, die den Erreger verbreiten, ohne selbst zu erkranken. Sie tragen nach Meinung vieler Mediziner dazu bei, dass die Erkrankung bis heute nicht ausgerottet ist. Jährlich werden weltweit rund 250.000 Neuerkrankungen registriert. "Es gibt aber eine hohe Dunkelziffer", sagt Diefenhardt. Bis zu vier Millionen Menschen leiden unter den Folgen der Krankheit, schätzt er.

Besonders betroffen sind Brasilien und Indien, aber auch der Südsudan. Dort arbeitet Krankenschwester Leonore Küster seit drei Jahren im Auftrag des in Würzburg sitzenden Hilfswerks. Mit Partnern im Südsudan versucht sie, medizinische Fachkräfte in die Region zu holen. "Die Medikamente stellt die Weltgesundheitsorganisation, die kosten nichts", berichtet die 55-Jährige. Das Geld der DAHW fließe in logistische Projekte oder in die Ausbildung der Ärzte. Denn viele Mediziner würden die typischen Symptome der Krankheit nicht kennen.

Betroffene haben je nach Hautfarbe rötliche oder helle Flecken auf der Haut. Oft ist auch das Nervensystem angegriffen. Viele Kranke werden schmerzunempfindlich - mit fatalen Folgen. Gerade in Entwicklungsländern verbrennen sich Frauen immer wieder beim Kochen, die Leprakranken merken davon aber nicht sofort etwas. Verletzungen können sich entzünden und im schlimmsten Fall sogar eine Knochenentzündung verursachen. "Das führt dann zu langwierigen Infektionen und kann zur Auflösung des Knochengewebes führen", erläutert Mediziner Diefenhardt.

Keine Impfmöglichkeit

In Deutschland gilt Lepra seit den 1920er Jahren als ausgerottet. Dennoch wurden in den vergangenen Jahren im Schnitt jährlich zwei Fälle registriert. Die Betroffenen sind meist Migranten aus Afrika oder Asien oder Reisende, die lange Zeit in engem Kontakt mit einem Infizierten waren. In Europa treten Lepraerkrankungen vor allem in Rumänien und Bulgarien auf.

Anders als bei akuten Infektionskrankheiten kann es nach der Infektion Jahrzehnte dauern, bis die Krankheit ausbricht. Eine Impfung gibt es nach Angaben des Robert Koch-Instituts nicht. Die Krankheit lässt sich mit Antibiotika gut behandeln. Gegen ein erstes Medikament, das Forscher 1947 entwickelten, wurden die Lepraerreger Ende der 60er Jahre allerdings zunehmend resistent. Mittlerweile gibt es eine Arzneimittelkombination - drei Antibiotika werden zwischen 6 und 12 Monate lang eingenommen. Die Medikamente helfen aber nur, wenn die Krankheit rasch nach ihrem Ausbruch behandelt wird.

Der Welt-Lepra-Tag wird immer am letzten Sonntag im Januar begangen. Als Initiator gilt der Franzose Raoul Follereau. Die Hilfsorganisation DAHW kümmert sich seit 1957 um die Belange von Infektionskranken und fördert in diesem Jahr mit rund 10 Millionen Euro Hilfsprojekte in 27 Ländern.

 

dpa