Beim Internetportal www.das-tut-man-nicht.de können Nutzer Fragen stellen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob eine Angelegenheit in gesellschaftlicher, moralischer, ethischer, sozialer oder religiöser Sicht in Ordnung ist oder eben auch nicht. Experten beantworten die ausgewählten Fragen. Wir stellen regelmäßig ein Problem samt Antwort zur Diskussion.
Die Frage:
Jahrelang habe ich für ein deutsches Großunternehmen gearbeitet. Im Zuge einer Restrukturierung musste ich gehen. Eine Anschlussbeschäftigung habe ich erst einmal nicht gefunden. Nun habe ich ein Angebot von einem kleinen Mittelständler in der Provinz, das mir, ehrlich gesagt, nicht besonders zusagt. Die Unternehmerfamilie sucht langfristig einen Nachfolger für die Geschäftsführung.
Mir selbst ist aber klar, dass ich die erste Möglichkeit zu gehen nutzen würde: Meine Familie will auch nicht aus der Stadt wegziehen. Ich sehe zur Zeit aber keine Alternative und werde wohl unterschreiben. Ist das falsch?
Die Antwort von Andreas Föller, Unternehmensberater und Arzt, spezialisiert auf das Suchen und Finden von Führungskräften, Headhunter und Gründer der Comites in München:
"Vordergründig hat man Bauchschmerzen, wenn sich der betroffene Kandidat für eine Aufgabe entscheidet im Wissen, dass er diese Aufgabe eigentlich nicht wirklich übernehmen möchte. Und dennoch glaube ich, dass es ethisch sehr wohl vertretbar ist, genau dies zu tun.
Allerdings muss der Fragesteller dann zwei Dinge gewährleisten.
1. Er muss, völlig unabhängig von der Langfristigkeit seiner Absichten mit vollem Engagement an die Aufgabe herangehen. Völlig inakzeptabel wäre es, wenn er mit angezogener Handbremse antritt.
2. Er muss, wenn er ein alternatives Angebot erhält, zumindest solange die Aufgabe bei dem mittelständischen Unternehmen wahrgenommen haben, bis er Erfolge realisiert hat. Absolut unverzeihlich und moralisch unvertretbar wäre es, schon nach zwei/drei Monaten wieder zu gehen. Dies heißt, dass im Extremfall der Kandidat bereit sein muss, ein interessantes Angebot abzusagen, weil er eben diese Aufgabe angetreten hat.
Wenn er dann nach 1,5 oder 2 Jahren ein adäquates Angebot erhält, und im Umfeld des Familienunternehmens bereits nachweisbare Erfolge realisiert hat, halte ich es bei aller Enttäuschung, die damit verknüpft sein wird, für ethisch gerechtfertigt, dieses Angebot anzunehmen.
Wo sehe ich die Legitimation dieses Vorgehens?
1. Wenn der Kandidat Erfolge realisiert hat, dann hat er sozusagen für die in ihn getätigten Investitionen zurückgezahlt.
2. Er hat sich die Chance gegeben, das neue Umfeld kennenzulernen. Und das Ergebnis hätte ja durchaus auch sein können, dass sich seine anfängliche Zurückhaltung in ehrliche Begeisterung für die Aufgabe umgewandelt hat.
3. Es gibt keine Garantie dafür, dass von der Arbeitgeberseite die Aufgabe auf die Ewigkeit ausgerichtet ist. Auch dort kann es im Familienumfeld zu Veränderungen kommen, die dann wieder eine Trennung vom Geschäftsführer auf Wunsch des Arbeitgebers nach sich ziehen.
Zusammenfassend also ein klares Ja, auch aus moralischer Sicht die Aufgabe anzunehmen. Weiterer Aspekt: Ist es wirklich ethischer, eine längere Arbeitslosigkeit (und damit eine ökonomische Belastung der Sozialkassen) in Kauf zu nehmen, nur um auf die vage Möglichkeit eines interessanteren Angebotes vorbereitet zu sein?
Wenn der Fragesteller das Ganze dann moralisch noch etwas sauberer machen möchte, dann sollte er seinem neuen potentiellen Arbeitgeber (dem Familienunternehmen gegenüber) insofern eine gewisse Klarheit herstellen, dass er auf die Risiken bezüglich der Langfristigkeit seines Engagements hinweist.
Beispielsweise dergestalt:
Liebe Familie,
für uns beide ist das ein Experiment. Sie wissen, ich war bisher immer nur in großen Unternehmen, und wir beide wissen nicht, ob wir zueinander passen. Ich verspreche, mich mit vollem Engagement einzusetzen und alles zu tun, um Ihren Erwartungen gerecht zu werden. Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, dass ich mich dauerhaft wohl fühlen werde."
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