Deutsche Reeder wollen Anti-Piraten-Soldaten
Zum Schutz ihrer Schiffe möchten die deutschen Reeder Bundeswehrsoldaten an Bord stationieren. Dabei fahren nur noch wenige ihrer über 3.000 Schiffe unter deutscher Flagge. Die Rechnung sollen trotzdem die Steuerzahler übernehmen. Am Montag will die Bundesregierung auf ihrem Piraten-Gipfel eine Lösung finden.
21.01.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Piraten am Horn von Afrika bedrohen auch die Wirtschaft zwischen Flensburg, Frankfurt und Füssen. Für kaum eine andere Nation ist die "blaue Straße" über die Weltmeere so lebenswichtig wie für Exportvizeweltmeister Deutschland. Doch es werden nicht allein Millionen Autos, Maschinenteile und Chemieprodukte über die Seehäfen in alle Welt ausgeführt. Übers Mittelmeer, den Suezkanal und durch den Indischen Ozean erreichen uns Erdöl, Spielwaren und Billig-Klamotten aus Saudi-Arabien oder China.

90 Prozent des gesamten Welthandels wird auf Schiffen abgewickelt. Und es gibt noch einen zweiten und weit weniger bekannten Grund, warum sich deutsche Manager besonders vor Piraten fürchten: Die deutsche Handelsflotte ist eine der größten der Welt und die größte bei Containerschiffen, den Lasteseln der Globalisierung. Ein Drittel aller Containerschiffe weltweit gehört deutschen Investoren, deutschen Banken und deutschen Reedern.

[listbox:title=Das holländische Video[Die Befreiung der MS Taipan aus der Sicht der Soldaten]]

Das Seekapital schaut zurzeit ausgerechnet auf ein Landgericht. Zehn Somalier sind in Hamburg angeklagt, der erste Prozess gegen Piraten in der Hansestadt seit Jahrhunderten. Die Seeräuber hatten am Ostermontag das unter deutscher Flagge fahrende Containerschiff "MV Taipan" gekapert. Mannschaft und Schiff wurden kurz darauf von niederländischen Marinesoldaten befreit. Doch nicht jede Attacke geht so glimpflich für die Besatzung aus.

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 1.181 Seeleute mit ihren gekaperten Schiffen als Geiseln genommen, meldet das International Maritime Bureau (IMB) in London. Acht der entführten Menschen starben. "Diese Entführungszahlen sind die höchsten, die wir je beobachtet haben", sagt Kapitän Pottengal Mukundan, Direktor des Pirateriezentrums des IMB. In den vergangenen vier Jahren sei die Anzahl der Angriffe vor Somalia, im Indischen Ozean und im Chinesischen Meer, vor den Küsten von Westafrika und Lateinamerika kontinuierlich angestiegen. "Der Trend ist alarmierend und nicht hinnehmbar", sagt Mukundan.

Reederverband fordert "Vessel Protection Teams"

Das meinen ebenfalls die deutschen Reeder. Auf dem Piraten-Gipfel der Bundesregierung am Montag will der Verband Deutscher Reeder (VDR) nun Soldaten an Bord seiner Schiffe fordern. Dies bestätigte der Verband auf Anfrage von evangelisch.de. Zwar sei schon Etliches zur Bekämpfung der Piraterie geschehen, aber das reiche nicht aus, meint der frühere Bremer Senator Ralf Nagel, heute Hauptgeschäftsführer des Reederverbandes. Die Lösung sieht Nagel in "Vessel Protection Teams", kleinen Einheiten von Marinesoldaten oder Bundespolizisten, die an Bord deutschet Handelschiffe stationiert werden.

Bordwachen durch die Deutsche Marine stoßen auf politische und verfassungsrechtliche Einwände - und sie sind teuer. Schon die laufenden Anti-Piraten-Einsätze kosten das Verteidigungsministerium nach Expertenmeinung einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Solche Hürden ließen sich möglicherweise beiseite schieben, das gilt jedoch nicht für die Flaggenfrage. Mit der deutschen Flagge verpflichten sich die Reeder zugleich, deutsche Seeleute auszubilden und einzustellen.

Doch nur wenige deutsche Schiffe fahren unter Schwarz-Rot-Gold und es werden immer weniger. Von 3.559 Schiffen mit deutschen Eigentümern fahren laut Bundesregierung nur noch 566 Schiffe unter deutscher Flagge. Es waren einmal fast 100 mehr. Und mit 2.993 fahren mehr deutsche Handels- und Kreuzfahrtschiffe als jemals zuvor unter Billigflaggen aus Liberia, Panama oder Antigua.

Billigflaggen erhöhen Gewinne

Kritiker werfen der maritimen Wirtschaft einen klaren Verstoß gegen die ohnehin eher bescheidenen Zusagen vor, die sie Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der 6. Nationalen Maritimen Konferenz als Preis für vielfältige Subventionen gemacht hatten. So blieben milliardenschwere Gewinne aus dem Schiffsverkehr dank der so genannten Tonnagesteuer nahezu steuerfrei.

Die Reeder verteidigen sich. Die Quote von etwa 20 Prozent der Schiffe unter Schwarz-Rot-Gold sei in Rostock nur unter Vorbehalt zugesagt worden, und die Weltwirtschaftskrise habe die Branche dann 2008 besonders hart getroffen. Und der Reederverband VDR dreht die Harpune sogar um: "Es ist zu kompliziert und zu teuer, die deutsche Flagge zu führen." Tatsächlich können deutsche Schiffseigner mit Billigflaggen zwischen 100.000 und 500.000 Euro pro Jahr und Schiff an Gebühren, Heuer und Sozialabgaben einsparen.

Doch auf dem Piraten-Gipfel in Berlin werden nicht alle Bosse an einem Tau ziehen. Reeder mit vielen oder allen Schiffen unter Schwarz-Rot-Gold beklagen sich über Wettbewerbsverzerrungen durch fahnenflüchtige Konkurrenten. Um solche Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, schlägt die Gewerkschaft Verdi einen privaten Ausgleichsfonds vor und ein "Nachlaschen" - eine härtere Gangart der Politik.


Hermannus Pfeiffer ist Wirtschaftsexperte und Journalist in Hamburg.