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Das Findelkind Kaspar Hauser (Stahlstich, um 1850, von Friedrich Wagner nach zeitgenössischem Bildnis). An Pfingstmontag 1828 tauchte der Jung plötzlich in Nürnberg auf.
Kaspar Hauser - "Unbekannt seine Herkunft, geheimnisvoll sein Tod"
Seine Story bietet Stoff für Musicals, Dramen, Romane und Filme. Sein Name ist aber auch in medizinischen Fachbüchern zu finden. Und Kriminalisten beschäftigen sich bis heute mit ihm: Kaspar Hauser.
30.04.2012
epd
Jutta Olschewski

Es könnte stimmen, dass er am 30. April 1812 geboren wurde, vor 200 Jahren. So stand es in einem Brief, den er bei sich trug. Aber Dokumente gibt es nicht. Und wo kam er her, dieser rätselhafte Mensch? Stammte das bekannteste Findelkind der Welt aus einer Tiroler Bauernfamilie oder war er ein badischer Thronerbe? War er schlicht ein Hochstapler oder war sein Gönner, Anselm von Feuerbach, der leibliche Vater? Oder war er ein einfach ein Borderliner? Zu der heute verbreiteten Persönlichkeitsstörung gehört ein gestörtes Ich-Empfinden.

Seit Kaspar Hauser am Pfingstmontag 1828 in Nürnberg in die Geschichte trat, wird über ihn gerätselt und gemutmaßt. Auch der Nürnberger Richter Ulrich Flechtner ist fasziniert von der Figur. Seit beinahe 30 Jahren geht er in seiner Freizeit den Spuren des mysteriösen jungen Mannes nach. "Je weiter man sich reinliest, umso faszinierender ist das Schicksal dieses Menschen", sagt er.

Flechtner: Skandal im europäischen Adel

Flechtner, der Vorträge bei den jährlichen Kaspar-Hauser-Festspielen in Ansbach hält, regt sich ziemlich auf, wenn Kaspar als "Bauerndepp" dargestellt wird. Für ihn scheint ziemlich klar, dass hinter der Person Kaspar Hausers ein Skandal im europäischen Adel steht.

Kurzgefasst lautet die bekannte Geschichte: Kaspar taucht in Nürnberg wie aus dem Nichts auf und spricht nur ein paar Worte wie "dös weiß ih nit". Angeblich hat er die Zeit seiner Kindheit in dunkler Kerkerhaft verbracht. Hauser wird als Kuriosum ausgestellt, erkrankt schwer, kommt zu einer Lehrerfamilie in Pflege, wo er schnell Lesen und Schreiben, Klavierspielen und Malen lernt. Schließlich siedelt er nach Ansbach über, wo er eine Lehre beginnt und konfirmiert wird. 1833 stirbt Kaspar Hauser an den Folgen eines Messerstichs, der ihm drei Tage zuvor im Hofgarten von Ansbach von unbekannter Hand zugefügt worden war. Der bayerische König setzt für die Suche nach dem Mörder eine Belohnung aus.

Erbprinz des Hauses Baden oder Schwindler?

Für den Gesprächsstoff sorgen also perfekte Zutaten: ein romantischer, hilfsbedürftiger Junge und ein ungelöster Kriminalfall. An Interpretationen besteht kein Mangel und dabei stehen sich leidenschaftlich bis heute vor allem zwei Gruppen gegenüber: Zum einen die "Hauserianer", die Kaspar Hauser für den Erbprinz des Hauses Baden halten, Sohn des badischen Großherzogs Karl und seiner Ehefrau Stephanie de Beauharnais, der beiseite geschafft werden sollte, um eine Nebenlinie auf den Thron zu heben. Die "Antihauserianer" hingegen sehen in ihm einen Schwindler, wie es in dem 1908 erschienenen Roman von Jakob Wassermann der Polizeileutnant Hickel tut: "Man muss den hinterlistigen Burschen Mores lehren", ruft er dort aus.

1996 gab Stefan Aust, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", in Ansbach bekannt: "Genforscher haben ein Jahrhunderträtsel gelöst". Das Nachrichtenmagazin hatte Blut von einer angeblichen Unterhose Kaspar Hausers aus dem Ansbacher Markgrafenmuseum untersuchen lassen. Die Ergebnisse der DNA-Analyse zeigten keine Übereinstimmung mit der DNA von Nachfahren des Hauses Baden.

Das beweise aber noch nicht viel, meinen Zweifler wie Peter Sehr, Regisseur des Films "Kaspar Hauser" (1993) mit André Eisermann: "Es ist erwiesen, dass die untersuchte Unterhose nicht mit dem Hause Baden verwandt ist."

Unveröffentlichte Genanalyse zeigt Übereinstimmung mit Haus Baden

Weniger spektakulär präsentiert wurde vor zehn Jahren die für eine ZDF-Dokumentation vorgenommene Genanalyse von Haaren Kaspar Hausers. Das Ergebnis im Jahr 2002 zeigte tatsächlich Übereinstimmungen mit dem Erbmaterial des Haus Baden. Diese Untersuchung ist aber noch immer nicht offiziell veröffentlicht.

Den "Hauserianer" Flechtner wundert das nicht. "Schon wer sich nur rudimentär damit beschäftigt, merkt sofort, dass hier was nicht stimmt", vermutet er Interessen des Hauses Baden dahinter. Es seien Dokumente vernichtet, Archive würden bis heute nicht geöffnet und "dann lassen sie bis heute niemanden in die Familiengruft", sagt Flechtner. Es wird wohl immer schwieriger, an des Rätsels Lösung zu kommen.

So steht weiter zurecht auf Kaspar Hausers Grabstein auf dem Friedhof Heilig Kreuz in Ansbach: "Hier ruht Kaspar Hauser, das Rätsel seiner Zeit, unbekannt seine Herkunft, geheimnisvoll sein Tod".