Kaum Annäherung bei Hartz-Kompromisssuche
Die Suche nach einem HartzIV-Kompromiss tritt auf der Stelle. Beim Zeitarbeit-Mindestlohn ist sich die Koalition selbst nicht einig. Die Angebote beim Bildungspaket gehen der Opposition nicht weit genug. Auch ein Scheitern wird nicht mehr ausgeschlossen.

Unmittelbar vor einer erneuten HartzIV- Verhandlungsrunde haben SPD und Union mit einem Scheitern der Verhandlungen gedroht. "Die Opposition muss nicht Ja sagen. Wir sind nicht bereit, einer Regelung zuzustimmen, in der wir uns nicht wieder finden", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion, Thomas Oppermann. Sein Unions-Amtskollege Peter Altmaier (CDU) warnte die Opposition davor, den Bogen zu überspannen. Der haushaltspolitische Spielraum der Bundesregierung für eine Neuregelung sei begrenzt.

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wollte am Mittwoch erneut die Chancen für eine Einigung über die vom Verfassungsgericht geforderte HartzIV-Neuregelung ausloten. Vor und nach dem Treffen waren weitere Verhandlungen der Fachpolitiker in Arbeitsgruppen angesetzt. Beide Seiten erwarteten dabei keinen Durchbruch. Für die kommende Woche wurden bereits weitere Termine vereinbart.

"Gedankliche Bewegung"

Oppermann sagte: "Wir sind kompromissbereit, aber nicht um jeden Preis." Bei den bisherigen Gesprächen habe es zwar auf Koalitionsseite "gedankliche Bewegung gegeben" - jedoch keine politischen Konsequenzen. SPD-Vize Manuela Schwesig sagte: "Die Chancen auf eine Einigung schwinden, weil Union und FDP sich nicht einig sind."

Hauptstreitpunkt ist dabei nach wie vor die Oppositionsforderung nach einem Mindestlohn für die Zeit- und Leiharbeit sowie die Erfüllung des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" - möglichst unmittelbar nach einer vierwöchigen Probezeit der Leih-Arbeitnehmer. Oppermann bezeichnete das FDP-Angebot, dieses Prinzip erst nach zwölf Monaten wirksam werden zu lassen, als "zynisch". Nach Angaben Schwesigs sind über 60 Prozent der Leiharbeiter nicht länger als drei Monate bei dem selben Unternehmen beschäftigt.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte zum Stand der Verhandlungen: "Wir sind wie bei einem Marathon jetzt auf dem letzten Kilometer. Das heißt: Es ist sehr anstrengend, man muss alle Kraft zusammennehmen. Aber es liegt an uns in der Politik, jetzt auch noch die Reform gut durchs Ziel zu bringen." Wichtig sei vor allem für die Kinder, die auf das Bildungspaket warteten, "jetzt Strecke zu machen."

Berechnung "nicht nach Kassenlage"

Schwesig wies Anwürfe aus der Koalition zurück, die SPD habe mit Maximalforderungen in Milliardenhöhe die Verhandlungen erschwert. "Das sind Nebelkerzen". Für jede Forderung der Opposition gebe es einen konkreten Deckungsvorschlag. Der Hinweis von Altmaier auf die Kassenlage des Bundes öffne beim Regelsatz "Tür und Tor für neue Verfassungsklagen". Das Gericht habe mit seinem HartzIV-Urteil ein Existenzminimum nach sauberer Berechnungsgrundlage verlangt - und nicht nach der jeweiligen Kassenlage des Bundes.

Die SPD-Politikerin sagte weiter, die SPD strebe noch immer eine Einigung vor der nächsten Bundesratssitzung am 11. Februar an. Wahltermine - am 20. Februar wird in Hamburg gewählt - seien für ihre Partei dabei nicht entscheidend. "Beim Thema HartzIV haben sich alle politisch verbrannt. Das Thema ist in keiner Partei beliebt." Gleichwohl würden jetzt gerichtsfeste Lösungen und deutlichen Bildungshilfen für die Kinder aus HartzIV-Familien benötigt.

Kommt es im Vermittlungsausschuss zu keiner Einigung über das bereits vom Bundestag verabschiedete Gesetz, werden zahlreiche Einzelklagen von Betroffenen und Organisationen befürchtet. Das Verfassungsgericht hatte im Februar 2010 vom Gesetzgeber eine transparente Berechnung der HartzIV-Regelsätze sowie bessere Bildungschancen für die 2,1 Millionen Kinder aus HartzIV-Familien verlangt. Dafür hatte das Gericht eine Frist zum 1. Januar 2011 gesetzt.

dpa