Die EU-Kommission sieht bei der Neuregelung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland noch weiteren Diskussionsbedarf und mahnt zu mehr Tempo. Wenn die Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren vermeiden wolle, "muss jetzt rasch ein kompletter Gesetzentwurf vorgelegt werden, der eingehend an den Vorgaben des EU-Rechts zu messen sein wird", teilte Justizkommissarin Viviane Reding am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa mit. Allerdings ist im Berliner Koalitionsstreit weiter kein rascher Kompromiss in Sicht.
"Erster Schritt in die richtige Richtung"
Die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgelegten Eckpunkte seien ein "erster Schritt in die richtige Richtung", erklärte Reding. Ein reines Verfahren des schnellen Einfrierens von Telefon- und Internetverbindungsdaten ("Quick-freeze") reiche zur Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie aber "natürlich nicht aus".
"Entscheidend für das Endergebnis ist, dass das richtige Gleichgewicht zwischen der Sicherheit unserer Bürger vor Terror und der Achtung ihrer Privatsphäre gefunden wird", erklärte die EU-Kommissarin. Sie könne sich durchaus vorstellen, dass eine Lösung auf dem "Quick-freeze-Ansatz" aufbauen könne. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass Deutschland nach langem Warten nun endlich mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung beginne. Zuvor hatte bereits ein Kommissionssprecher Bedenken gegen die nun diskutierte Methode deutlich gemacht. Es sei grundsätzlich fraglich, wie wirksam das Verfahren bei der Strafverfolgung sei, sagte er in Brüssel.
Leutheusser-Schnarrenberger will keine anlasslose, massenweise Speicherung von Daten. Polizei und Staatsanwaltschaft soll es nur in Ausnahmefällen ermöglicht werden, das routinemäßige Löschen von Daten bei Telekommunikationsfirmen zu verhindern. Das "Einfrieren" von Daten solle nur bei hinreichendem Anlass möglich sein. Gemeint sind Hinweise auf eine Straftat, zu deren Aufklärung die Daten dann später per Richterbeschluss "aufgetaut" und genutzt werden könnten.
Kritik an anlasslosr Speicherung
Die FDP hält eine Einigung für möglich. Aus der Union kommen aber gegenteilige Signale. Der Vorschlag der Ministerin sei nicht das, was im Kampf gegen Kriminelle und Terroristen notwendig sei, sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, in Berlin. "Das, was sie an Eckpunkten vorgelegt hat, gefällt uns nicht." Die Ressortchefin gehe "von einem Liberalismusbegriff des letzten oder vorletzten Jahrhunderts" aus.
Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, forderte die Union auf, sich zu bewegen: "Am Ende ist eine Koalition dann handlungsfähig, wenn sie in der Lage ist, miteinander zu reden und miteinander zu Ergebnissen zu kommen."
Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im März verworfen. Seitdem dürfen die Daten nicht mehr ohne konkreten Anlass sechs Monate lang aufbewahrt werden.
Die Opposition kritisiert vor allem den Vorschlag der Justizministerin, IP-Adressen - damit können Computer im Netz identifiziert werden - sieben Tage lang zu speichern. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, damit öffne die Ministerin das Tor für die anlasslose Speicherung, gegen die sie sich bisher immer gewehrt habe. "In Wahrheit ist sie umgefallen." Der Linke-Politiker Jan Korte kritisierte: "Sie (Die Ministerin) hat vor, Internetdaten anlasslos und auf Vorrat zu speichern." Leutheusser-Schnarrenberger wies diesen Vorwurf am Dienstag zurück.