Koalition will Patienten vor Klinikinfektionen schützen
An Appellen für mehr Hygiene gegen riskante Klinik-Keime fehlt es seit Jahren nicht. Viele Länder lassen Forderungen nach klaren Regeln aber verhallen. Dabei ziehen sich Jahr für Jahr rund eine halbe Million Menschen solche Infektionen zu. Jetzt sollen Gesetze helfen.
18.01.2011
Von Basil Wegener

Angela Merkel zeigte sich entschlossen. Drei Säuglinge waren am Mainzer Uniklinikum gestorben, die verseuchte Nährlösung erhalten hatten. Regierungssprecher Steffen Seibert forderte im Namen der Kanzlerin angesichts der öffentlichen Empörung, dass Hygieneverordnungen für alle Länder verpflichtend sein sollen.

Wenige Tage später zeigten im vergangenen August dann Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, dass das Klinikpersonal wohl gar keine Schuld traf. Eine vermutlich vor Eintreffen in der Klinik kaputt gegangene Flasche führte zur Verkeimung, teilten die Ermittler damals mit. Doch unabhängig von dem spektakulären Fall ist in vielen Kliniken mangelnde Hygiene landauf, landab sehr wohl ein Riesenproblem - laut der FDP-Expertin Ulrike Flach sogar "die Hauptgefährdung in deutschen Krankenhäusern".

Ein Drittel der Infektions-Fälle gelten als vermeidbar

Bis zu 600.000 Patienten erleiden jährlich Krankenhausinfektionen. Bis zu 15.000 Menschen sterben daran, mahnen die Fachpolitiker von Union und FDP im Bundestag in einem Eckpunktepapier, auf das sie sich am Montag verständigten. Ein ganzes Bündel von Schritten soll die Risiken nun eindämmen, immerhin bis zu einem Drittel der Fälle gelten als vermeidbar.

Da sind zunächst gesetzliche Regelungen hin zu speziellen Hygienebeauftragten in den mehr als 2.000 deutschen Kliniken. Sie sollen dafür sorgen, dass sich Ärzte und Pfleger die Hände desinfizieren, dass Ablagen und Kanülen immer sauber sind und, und, und. Laxheit in den Abläufen ist nach Expertenansicht ein Hauptgrund für Infektionen. Die Länder, die dies noch nicht getan haben, sollen auf Basis einer Änderung im Infektionsschutzgesetz endlich leichter entsprechende Hygieneverordnungen erlassen können.

Dann sind da die Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, weil diese oft ungezügelt verschrieben werden. Die Verordnungen von Antibiotika sollen sich also möglichst auf nötige Fälle beschränken. Das Robert Koch-Institut (RKI) soll die Lage bei solchen Infektionen regelmäßig bewerten und Empfehlungen zur Therapie abgeben.

Da sind auch die niedergelassenen Ärzte. Auf zwei Jahre befristet sollen neue Gebührenpositionen in der Ärzte-Honorarordnung aufgenommen werden. Hilfe für betroffene Patienten soll also entsprechend bezahlt werden.

Koalitionäre wollen Lösung bis Jahresmitte

Das Ringen um Abhilfe gegen das Hygieneproblem läuft seit mehr als zehn Jahren. Alle wissen, was zu tun ist, das RKI hat längst eine ganze Reihe Empfehlungen für Kliniken, Ärzte und Pfleger herausgegeben - zum Händewaschen vor dem Gang zum Patienten, zur Reinhaltung von Kathetern, zur Desinfektion von Geräten und Abstellflächen oder zum Schutz vor Lungenentzündungen durch Klinikkeime.

Doch eine Pflicht zum Handeln kam von Bundesland zu Bundesland nur schrittweise - noch heute gibt es viele Lücken. In vielen Kliniken gibt es zwar Beauftragte für mehr Sauberkeit - doch als Oberärzte oder Schwestern müssen die erst vieles andere machen, bis sie zum Kampf gegen die Keime kommen. Widerstand gegen schärfere Vorschriften ohne bessere Bezahlung hatten bereits im Sommer Kliniken und Ärzte angedeutet.

Jetzt zeigen sich die Koalitionäre entschlossen. "Wir wollen eine Lösung bis Jahresmitte durch Bundestag und Bundesrat bringen", sagt der CDU-Politiker Jens Spahn. Flach will auch ein Gütesiegel für die Kliniken mit hohen Standards. "Ich bin da ganz optimistisch", meint sie.

dpa