Tunesien: Ben Alis Getreue weiter an der Macht
Erstmals nach 23 Jahren hat die Opposition in Tunesien Zugang zur Macht. Allerdings besetzt die alte Garde um den geflohenen Ex-Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali in der Übergangsregierung weiter Schlüsselpositionen. Das neue Kabinett beschloss als eine der ersten Amtshandlungen, sämtliche politischen Gefangenen freizulassen. Ben Alis Frau soll mit 1,5 Tonnen Gold ins saudi-arabische Exil ausgeflogen sein. Die Tunesier müssen weiter mit Engpässen bei Lebensmitteln und Benzin kämpfen. Im Land kehrte nach blutigen Unruhen die Ordnung zurück.

Der ehemalige Vorsitzende der nationalen Menschenrechtsliga Moncef Marzouki (65) kündigte als erster eine Kandidatur für bis Mitte März vorgesehenen Neuwahlen des Präsidenten an. Am Montag wurde in der Hauptstadt Tunis die Übergangsregierung vorgestellt. In ihr sind drei führende Oppositionelle vertreten. Sechs Mitglieder des alten Regimes bleiben in Amt, unter ihnen Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi sowie die Chefs der drei Schlüsselressorts Innen, Verteidigung und Außen.

Die Sicherheitslage im Land entspannte sich etwas. Lediglich aus Bizerte und der Hauptstadt wurden noch vereinzelte Unruhen gemeldet. Nach der Rückholaktion vom Wochenende halten sich immer noch bis zu 1.000 Bundesbürger in Tunesien auf. Mehr als 6.000 Urlauber waren in den vergangenen Tagen mit verschiedenen Flügen zurückgebracht.

Protest gegen Korruption und fehlende Jobs

Tunesiens Präsident Ben Ali war am Freitag nach 23 Jahren an der Macht gestürzt worden und hatte sich nach Saudi-Arabien abgesetzt. Auslöser waren Massenproteste gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Sie hatten sich in der vergangenen Woche zu einem Volksaufstand ausgeweitet. Übergangspräsident Foued Mebazaa soll nun Neuwahlen vorbereiten. So schnell wie möglich soll untersucht werden, ob bislang verbotene Parteien legalisiert werden können.

Unter den Oppositionspolitikern in der Übergangsregierung sind unter anderen Ahmed Nejib Chebbi von der marxistischen Partei PDP (Demokratische Fortschrittspartei) und Mustapha Ben Jaafar von der Partei Demokratisches Forum für Arbeit und Freiheiten (FDTL) und Ahmed Brahim von der Bewegung Ettajdid (Erneuerung). Der erste offizielle Präsidentschaftskandidat Marzouki leitet die Partei Republikanischer Kongress (CPR). Die Bewegung setzt sich für einen demokratischen Staat ein und war unter Ben Ali verboten.

Die Islamisten-Bewegung Al-Nahda hatte bereits angekündigt, sich nicht an der tunesischen Übergangsregierung zu beteiligen. "Wir befürworten diese Regierung nicht, wir werden sie auf friedlichem Wege konfrontieren." Das im Londoner Exil lebende Oberhaupt von Al-Nahda, Raschid Ghannouchi, hatte am Wochenende erklärt, er werde rasch in die Heimat zurückkehren.

Schwedische Jäger verhaftet

Eine Meldung über in Tunis festgenommene Deutsche bestätigte sich nicht. Lediglich eine Gruppe schwedischer Jäger wurde vorübergehend festgesetzt. Die Männer waren in Tunesien Wildschweine jagen gewesen, konnten wegen der Unruhen aber nicht ausreisen. Stattdessen hatten sie versucht, auf eigene Faust mit einem Taxi ins Zentrum zu fahren. Als Sicherheitskräfte den Wagen durchsuchten und die Waffen fanden, kam es zu einem Missverständnis: Die Uniformierten dachten, die Ausländer wollten sich an den Auseinandersetzungen beteiligen.

In Tunesien lebende Deutsche berichteten von Lebensmittelengpässen im Land. "Die großen Supermärkte sind geplündert, vor den kleinen, die noch offen sind, stehen ewig lange Menschenschlangen", sagte Elke Peiler, die als Projektmanagerin für die Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer arbeitet. Auf ein Brot müsse man drei Stunden warten. Milch werde mittlerweile direkt von Lastwagen aus ausgeteilt. "Zum Glück habe ich selbst noch genügend Vorräte", berichtete die 43-Jährige, die mit ihrer fünfjährigen Tochter in einem Vorort der Hauptstadt wohnt, am Telefon.

Mit 1,5 Tonnen Gold ins Exil?

Für Empörung sorgten Berichte, nach denen die Ehefrau Ben Alis vor der Flucht 1,5 Tonnen Gold von einer Bank abgeholt haben soll. Sie hält sich mit ihrem Mann mittlerweile in Dschiddah am Roten Meer auf. Dort werden die beiden und Angehörige nach Angaben aus gut unterrichteten Kreisen in der Hauptstadt Riad in einem Palast der Herrscherfamilie Ibn Saud untergebracht.

Ein Hausangestellter der Präsidentenfamilie erklärte, Ben Ali und seine Frau Leila hätten sich am Tag ihrer Flucht nichts anmerken lassen. Die Präsidentengattin habe in der Küche noch ein Mittagessen bestellt, das aber nicht mehr angerührt worden sei. Stattdessen seien Ben Ali und sein Clan durch einen geheimen Tunnel von Sidi Bou Said nach Karthago verschwunden. Dort seien sie in einen Hubschrauber gestiegen. Später am Tag seien dann Angehörige des Militärs in die Residenz gekommen und hätten das Hauspersonal aufgefordert, nach Hause zu gehen.

dpa