Futtermittelskandal: Wer muss kontrollieren?
Der Dioxin-Skandal hat eine neue Dimension. Hunderte Höfe mussten gesperrt werden, weil ein niedersächsischer Futterhersteller Infos verschwiegen haben soll. Das führt zu Streit zwischen Agrarministerin Ilse Aigner und dem Land Niedersachsen.

Kein Ende des Dioxin-Skandals: Mehr als 1000 Höfe sind bundesweit noch immer gesperrt. Hunderte Höfe kamen neu hinzu, weil ein Tierfutterhersteller in Niedersachsen Lieferdaten verschwiegen haben soll. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) legte sich mit Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) an. Sie kritisiert eine Informationspanne und fordert Konsequenzen.

Die Landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaft Damme (LBD) in Niedersachsen schickte nach Angaben des Agrarministeriums in Hannover erst auf Druck vollständige Lieferdaten. Das Unternehmen war Kunde des Futtermittelproduzenten Harles und Jentzsch, der den Skandal durch Fett-Panschen verursacht haben soll. Ob belastetes Fleisch und belastete Eier auf den Markt kamen, sei noch offen, sagte Sprecher Gert Hahne. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ließ Räume des Unternehmens in Damme, Sulingen und Steinfeld durchsuchen.

Die Bundesagrarministerin forderte personelle Konsequenzen in Niedersachsen, weil sie am Freitag beim Besuch des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg nicht informiert worden sei. Aigner stellte McAllister ein Ultimatum bis Samstagabend, das folgenlos verstrich. McAllister wies die Vorwürfe zurück. "Jetzt geht es darum, dass wir in der Sache voran kommen", sagte er im Radiosender ffn. FDP-Chef Guido Westerwelle warnte: "Jedes Schwarze-Peter-Spiel" zwischen verschiedenen Staatsebenen, wenn es um die Lebensmittelaufsicht geht, ist fehl am Platze."

"Über Personal wollen wir gern allein entscheiden"

Das Agrarministerium in Hannover soll schon am Freitag um 17.00 Uhr vor Aigners Besuch von neuen Fällen gewusst haben. In Kritik stehen der Präsident des Landesamts, Eberhard Haunhorst, Agrarstaatssekretär Friedrich-Otto Ripke und der kommissarische Agrarminister Hans-Heinrich Sander (FDP). Ripke sagte der Nachrichtenagentur dpa, während die Ministerin mit ihm im Landesamt gewesen sei, habe er von der neuen Entwicklung noch nichts gewusst.

Niedersachsens künftiger Agrarminister Gert Lindemann (CDU) will sich nicht von Aigner reinreden lassen. "Über das niedersächsische Personal wollen wir in Niedersachsen gerne allein entscheiden", sagte Lindemann der Nachrichtenagentur dpa. Er schließe Konsequenzen aber nicht aus, "wenn jemand seine Aufgabe nicht perfekt erfüllt hat". Der frühere Staatssekretär von Aigner wird am Mittwoch im Landtag vereidigt. Auch Sander kritisierte Aigner: Dies sei "ein einmaliger Vorgang" gerade unter politischen Freunden. Er sei am Samstagmorgen allerdings über die Ausweitung nicht informiert worden.

Bundesweit waren insgesamt 1040 Höfe gesperrt, in Niedersachsen nach Angaben des Agrarministeriums rund 900 Betriebe. Wegen des neuen Falles seien 750 Höfe hinzugekommen. Am Samstag hieß es zunächst, dass das Futter des Herstellers in Damme an 934 Betriebe in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern geliefert worden sei. Die Geflügelwirtschaft betonte, die Hähnchen-, Puten- und Enten-Haltung seien nicht betroffen. Nordrhein-Westfalen sperrte bereits am Donnerstag 10 Höfe neu, weil das Land Informationen auf "nicht offiziellem Weg" bekam.

Agrarminister treffen sich am Dienstag

Aigner appellierte an die Länder, ihren Forderung nach mehr Sicherheit zuzustimmen. "Mein Aktionsplan deckt sich in vielen Punkten auch mit den Vorstellungen von SPD und Grünen. Noch fehlt bei Rot-Grün allerdings das klare Bekenntnis, die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung verbessern zu wollen", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. "Aber ich erkenne den gemeinsamen Willen, zu mehr Einheitlichkeit und zu höherer Sicherheit für die Verbraucher zu kommen." Die Agrar- und Verbraucherminister treffen sich an diesem Dienstag, um über schärfere Kontrollen zu beraten.

Aigner war selbst unter Druck geraten, weil sie erst nach Tagen öffentlich auf den Skandal reagiert und dann auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen hatte.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner rechnet mit einem Schaden von über 100 Millionen Euro wegen der Hofsperrungen. Ein Mehrfaches gebe es durch Umsatzeinbrüche bei Fleisch und Eiern, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
 

dpa