Leben im Pfarrhaus - als Single, Homo-Paar oder Familie
Auf einem Studientag in Münster beschäftigten sich angehende Pfarrer mit dem Thema "Das Pfarrhaus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert". Teil der Veranstaltung war auch die Auseinandersetzung mit dem offenen Brief der Altbischöfe, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften von Pfarrern ablehnen.
16.01.2011
Von Maike Freund

Welche Ansprüche wird die Gemeinde an meinen Mann haben? Wie wird mein Partner mit dem Titel Pfarrfrau oder Pfarrmann umgehen? Und wie werden die Gemeindemitglieder mit mir und meinem homosexuellen Partner umgehen? Fragen, die sich viele der Pfarramtsanwärter vor Beginn ihres Studiums nicht gestellt haben. Für die das Studium keinen Raum vorsieht. Und die immer drängender werden, je näher der Berufseinstieg rückt.

Deshalb richtete der Studierendenrat Evangelischer Theologie (SETh) am Wochenende das Seminar zum Thema zum Thema "Single, same sex, Superfamilie. Das Pfarrhaus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert" aus. Dass dieses gerade in eine Zeit fiel, in der die Altbischöfe mit einem offenen Brief gegen homosexuelle Pfarrerspaare plädieren, ist Zufall. Denn das Thema wurde schon im Herbst vergangenen Jahres festgelegt.

Ist nur die heterosexuelle Ehe christlich?

Aber gerade weil der offene Brief der Altbischöfe in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, war das gesetzte Thema umso aktueller. Der Brief stellt als Leitbild der Evangelischen Kirche die Ehe und die Familie heraus, und zwar allein die heterosexuelle Ehe. Die Altbischöfe lehnen gleichgeschlechtliche Partnerschaften bei Pfarrern ab. Auslöser für die Stellungnahme war die Einigung der EKD auf ein gemeinsames Pfarrdienstgesetzes für alle Landeskirchen.

Dass allein die heterosexuelle Ehe eine Partnerschaft im christlichen Sinne ist, ist den Studierenden jedoch zu eng gefasst. Eine Beziehung sei nicht dann glücklich, wenn sie eine bestimmte Geschlechterkonstellation erfülle, heißt es in den Forderungen des Studierendenrats an die EKD. Das Gelingen einer Partnerschaft "im christlichen Sinne sollte sich – wie vom Pfarrdienstgesetz gefordert – an den Kriterien Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitiger Verantwortung messen lassen."

Bericht eines schwulen Pfarrers: "Einfacher als gedacht"

Einer, der mit der Diskrepanz zwischen Homosexualität und Kirche lebt, ist Gunter Volz: "Zuerst war ich auch nicht sicher, ob ich das Pfarramt und meine Homosexualität unter einen Hut bekomme", sagte er. Aber dann war es doch einfacher als gedacht. Denn die Gemeinde wollte ihn. Und so war Volz einer der ersten, der als homosexueller Pfarrer mit seinem Partner in ein Pfarrhaus einzog. Natürlich gab es zu Anfang Gerede. Aber seine Erfahrungen im Pfarrhaus sind "durchweg positiv".

Damals, sagt er, war Homosexualität bei Pfarrern nicht im Bewusstsein der Menschen. Heute sei das anders. Die Gesellschaft und die Kirche seien ein gutes Stück vorangekommen. Dass die Kirche also wegen des Briefes der Altbischöfe wieder zurückrudere, kann er sich nicht vorstellen. Er sagt: "Niemand hat die Kirche umgeworfen, nicht die Frau und nicht die Schwulen." Seine Sorge ist, dass sich Schwule und Lesben von dem Brief der Altbischöfe abgelehnt fühlen, sich nicht mehr als Gleiche unter Gleichen empfinden, sondern als Außenseiter und sich deshalb von der Evangelischen Kirche abwenden.

Keine Vater-Mutter-Kind-Familie mehr

Wie sehr sich das Bild von Familie und Ehe verändert habe – nicht nur im Hinblick auf Homosexualität –, zeige sich am Beispiel Pfarrhaus, sagt Iilona Nord, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg und Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Denn die ursprüngliche bürgerliche Pfarrfamilie aus Vater, Mutter und vier Kindern, die früher ein Pfarrhaus bezogen habe, sei so nicht mehr existent. Stattdessen gebe es immer mehr Singles oder Alleinerziehende, Partner seien in der Regel berufstätig und könnten so die Aufgabe der Pfarrersfrau oder des -mannes nicht mehr wahrnehmen, erklärte sie. Und somit würden sich auch die Anforderungen an den Beruf des Pfarrers ändern.

Egal ob es um die Frage der Homosexualität oder um Alleinerziehende im Pfarrberuf geht: Für die Theologiestudenten des Seminars in Münster bedeutet eine christliche Lebensführung den "vorurteilsfreien Umgang mit sexuellen Orientierungen und Lebensformen". Sie fordern eine neue Positionierung von Seiten der EDK.


Das Impulspapier des Studienrats Evangelischer Theologie (SETh) gibt es hier.

Maike Freund ist freie Journalistin in Dortmund.