Chaos und Gewalt in Tunesien. Nach der Flucht von Machthaber Zine el Abidine Ben Ali ins Exil wurden binnen 24 Stunden zwei Übergangs-Präsidenten ernannt. Immer wieder kommt es in dem beliebten Urlaubsland zu Plünderungen. Bei einem Gefängnisbrand im Küstenort Monastir starben nach Angaben von Ärzten bis zu 50 Menschen.
Am Samstag marschierte Militär im Stadtzentrum von Tunis auf. Über der Hauptstadt lagen Rauchsäulen. Schon in der Nacht hatten Brandstifter trotz Ausgangssperre Feuer in einem Bahnhof gelegt. Mehrere Reiseveranstalter holten am Wochenende weitere deutsche Urlauber aus dem Unruheland am Mittelmeer zurück.
Am Samstag ernannte der Verfassungsrat mit Foued Mbazaa (77) einen weiteren Übergangs-Präsidenten. Zunächst hatte Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi die Amtsgeschäfte von Präsident Ben Ali übernommen, der das Land seit fast einem Vierteljahrhundert mit harter Hand regiert hatte. Ben Ali hatte sich am Freitag nach blutigen Protesten gegen sein Regime nach Saudi-Arabien abgesetzt.
Aufruf zur Demokratie
Mbazaa soll Neuwahlen vorbereiten. Oppositionspolitiker hatten bereits kritisiert, dass die Ernennung Ghannouchis als Interim- Präsident verfassungsrechtlich bedenklich sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief Tunesien dazu aufgerufen, eine Demokratie aufzubauen und bot dazu Deutschlands Hilfe an.
Nach dem Gefängnisbrand in Monastir erhöhte sich die Zahl der Menschen, die seit Beginn der Unruhen in dem Mittelmeerland ums Leben gekommen waren, auf mehr als 130. Nach ersten Erkenntnissen hatten Häftlinge ihre Matratzen in Brand gesteckt. Die Flammen hätten dann schnell auf das gesamte Gebäude übergegriffen. Viele Häftlinge starben in den Flammen. Als andere zu fliehen versuchten, schossen Wärter auf die Menschen.
Der zwischenzeitlich gesperrte Luftraum über dem Land wurde indes wieder geöffnet. Noch am Samstag wollten Reiseveranstalter mehrere tausend Urlauber nach Deutschland zurückfliegen. Viele Touristen saßen zunächst fest, nachdem Ben Ali vor seiner Flucht noch den Ausnahmezustand verhängt und den Luftraum gesperrt hatte. Am späten Freitagabend waren die ersten deutschen Touristen dann an den Flughäfen in Düsseldorf und Berlin angekommen.
Sausi-Arabien hieß Ben Ali willkommen
Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, hatten sich in den vergangenen Tagen immer mehr zum Aufstand gegen den Präsidenten entwickelt, der fast ein Vierteljahrhundert an der Macht war. Ben Ali war am frühen Samstagmorgen im saudi-arabischen Dschiddah eingetroffen. Man habe Ben Ali und seine Familie im Königreich willkommen geheißen, meldete die saudische Nachrichtenagentur SPA. Ben Ali hatte nach französischen Medienberichten zuvor vergeblich versucht, in Paris zu landen.
Die Hintermänner der Plünderungen in Tunesien blieben vorerst im Dunkeln. Kriminelle Banden hätten von dem Chaos profitiert und Geschäfte geplündert, sagte der Oppositionspolitiker Mustafa Ben Jaafar am Samstagmorgen dem französischen Sender France Info. Auch Verwaltungsgebäude seien angegriffen worden. Vor Reportermikrofonen äußerten mehrere Tunesier dagegen den Verdacht, dass Angehörige der Miliz das Machtvakuum nutzten und an Plünderungen beteiligt wären.