Dioxin: Fast 1000 weitere Höfe gesperrt
Der Dioxin-Skandal weitet sich wieder aus: Fast 1000 Höfe in mehreren Bundesländern mussten zusätzlich gesperrt werden, weil ein Tierfutterhersteller im niedersächsischen Damme Lieferdaten nicht an die Behörden gemeldet haben soll.

Das Futter sei an 934 Betriebe gegangen, auch in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern, teilte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Samstag mit. Darunter sollen 110 Legehennenbetriebe, 403 Schweinemastbetriebe und 248 Ferkelmastbetriebe sein. Aigner forderte politische Konsequenzen und stellte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) ein Ultimatum bis Samstagabend.

Der Futterhersteller habe erst auf Druck der Behörden vollständige Lieferzeiten eingereicht, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Am Freitagabend seien deshalb weitere Höfe vorsorglich gesperrt worden. In Niedersachsen dürften derzeit rund 900 Betriebe keine Waren vermarkten. Das Ministerium geht davon aus, dass etwa zehn Tage lang Endprodukte - vorwiegend Eier - in den Markt gelangt sein könnten. Die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen gegen den Hersteller aufgenommen.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner rechnet mit einem Schaden von mehr als 100 Millionen Euro wegen der Sperrung von Höfen. Noch größer seien die Konsequenzen durch Umsatzeinbrüche bei Schweinefleisch und Eier: "Diese Schadenssumme wird ein Mehrfaches dessen sein, was an direktem Schaden verursacht worden ist", sagte er der dpa.

Aigner: Verantwortliche sofort ablösen

Aigner forderte die Ablösung von Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) als Vertreter des fehlenden Agrarministers und von Agrarstaatssekretär Friedrich-Otto Ripke. "Das ist ein Skandal im Skandal. Und das kann nur eine Konsequenz haben: Die sofortige Ablösung der Verantwortlichen in Niedersachsen", teilte Aigner mit. McAllister müsse konsequent durchgreifen. Sie erwarte bis zum Nachmittag einen Bericht und bis zum Abend personelle Folgen.

Die Bundesministerin hatte am Freitag das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg besucht. Sie war nach eigenen Angaben aber erst am frühen Samstagmorgen über die neuen Fälle informiert worden. "Mir wurde von niedersächsischer Seite wiederholt und auch gestern erneut mit Nachdruck versichert, dass die für die Futter- und Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden alle erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung des Dioxin-Falls in die Wege geleitet hätten", kritisierte Aigner.

Der Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch aus Schleswig- Holstein hatte Futterfette und Industriefette vermischt. Damit war Dioxin in den Tierfutterkreislauf geraten. In der vergangenen Woche waren fast 5000 Höfe vorsorglich gesperrt und auf Dioxin untersucht worden. Die Zahl sank am Freitag zunächst auf rund 400 Betriebe.

CDU nimmt Ministerin in Schutz

Die CSU-Politikerin war selbst unter Druck geraten, weil sie erst nach einigen Tagen öffentlich auf den Skandal reagiert und zunächst auf die Länder verwiesen hatte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll sich laut Medienberichten am vergangenen Mittwoch verärgert darüber gezeigt haben, welches Bild dies in der Öffentlichkeit erzeugt. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert stützt Merkel aber ihr Vorgehen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) nahm sie in Schutz. "Frau Aigner hat die volle Unterstützung der Bundestagsfraktion." Es sei richtig, dass sie erst einmal einige Tage analysiert habe.

Bei der Suche nach der Herkunft der Dioxin-Belastung hat sich möglicherweise eine neue Spur ergeben. Das Dioxin-Muster aus Fett- Analysen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erinnere an das sogenannte Kaolin, sagte der Stuttgarter Wissenschaftler Prof. Hans Schenkel am Samstag und erläuterte einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus". "Normalerweise handelt es sich dabei um ein natürliches Tonmaterial, es kann aber auch Spuren von Dioxin enthalten", sagte Schenkel. Kaolin ist ein weißes, auch in der Papier- und Porzellanherstellung verwendetes Gestein.

dpa