Die dramatischste Rettungsaktion spielt sich wohl in São José do Vale do Rio Preto ab. Dort flüchtet sich eine etwa 50-jährige Frau auf das Dach ihres Hauses, das Stück für Stück den meterhohen tosenden braunen Wasserfluten nachgibt. Nachbarn werfen ihr von der Dachterrasse eines 15 Meter entfernten Hauses einen Strick zu. Sie knotet das Seil um die Hüfte, springt mit einem kleinen Hund in den Armen in letzter Minute todesmutig in die reißenden Fluten. Schon bei der ersten Welle geht sie unter, verliert den Hund. Dann wird die Frau am rettenden Seil nach oben gezerrt.
Sie überlebt wie viele Menschen in der bergigen Serrana-Region rund 100 bis 150 Kilometer nördlich von Rio die Umweltkatastrophe nur mit Glück - ihr gesamtes Hab und Gut aber geht verloren. "40 Jahre habe ich immer wieder an dem Haus gearbeitet. Alles weg, alles weg in nur zwei Stunden", sagt ein Mann aus Teresópolis mit brüchiger Stimme in die TV-Kameras. Der Bürgermeister der Stadt, Jorge Mário Sedlacek, spricht von einer Katastrophe. "Einige Viertel wurden völlig zerstört, als hätte es hier ein Erdbeben gegeben."
Zahl der Toten auf 500 gestiegen
Die Zahl der Unwetter-Toten in Brasilien steigt immer weiter. Die Behörden meldeten in der Nacht zum Freitag nach Angaben lokaler Medien bereits mehr als 500 Tote - so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr bei Überschwemmungen in Brasilien. Mehrere Schlammlawinen hatten am Mittwoch im Bergland von Rio de Janeiro Städte verwüstet und Menschen in den Tod gerissen oder obdachlos gemacht. Es ist nach Medienangaben die schlimmste Naturkatastrophe des Landes seit Jahrzehnten. Besonders betroffen waren Teresópolis, rund 100 Kilometer von Rio entfernt, und die Stadt Nova Friburgo.
In dem rund 150.000 Einwohner zählenden Teresópolis bietet sich ein Bild des Grauens. Selbst schwere Lastwagen wurden durch die mächtigen Ströme einfach weggespült. Autos versanken im Morast oder landeten auf Bäumen oder Hausdächern. Dreistöckige Häuser stürzten ein. Auf den Straßen liegen wahllos verstreut Sessel, Kühlschränke und Tische. Die Schlammlawinen wälzten sich, beschleunigt durch immer neue Regenfälle, die Hänge hinab, rissen alles auf ihrem Weg mit sich. Zurück bleiben Schneisen der Verwüstung.
"Gott hat sie gerettet. Danke"
Bei den jährlichen Regenfällen im Januar und Februar sind es meist die Armenviertel, die Favelas, die am stärksten betroffen sind. Doch in Teresópolis und in der Nähe des historischen Ortes Petrópolis, der früheren Sommerfrische des brasilianischen Kaiserhauses, haben viele Bewohner Rios wegen des angenehmen Klimas luxuriöse Wochenendresidenzen gebaut. Auch vor ihnen machten die Fluten nicht halt. "Häuser der Reichen, Häuser der Armen. Alles ist zerstört", sagt eine 27-jährige Hausangestellte.
Rettungskräfte ziehen am Donnerstag immer mehr Leichen aus den Trümmern. Bewohner schleppen Verletzte auf zu Tragen umgewandelten Haustüren in Notunterkünfte. Trauer und Schock stehen den Menschen ins Gesicht geschrieben. Umso größer die Freude, als Feuerwehrleute ein sechs Monate altes Baby retten. Nicolas hielt mehr als 10 Stunden in den Armen seines Vaters (25) unter den Trümmern aus. Beide werden lebend geborgen. "Gott hat sie gerettet. Danke", sagt Nicolas' Großvater Ademilson unter Tränen.