Streik auch in Einrichtungen der Kirche möglich
Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm sind Streiks in kirchlichen Einrichtungen zulässig. Die Verweigerung des Streikrechts sei unverhältnismäßig. Die Gewerkschaft ver.di begrüßte das Urteil. Diakonie und Kirchen erwägen, in Revision zu gehen.

In evangelischer Kirche und Diakonie seien Beschäftigte auch in Bereichen wie Reinigungsdienst und Krankenhausküchen tätig. Diese Dienste zählten nicht zum in christlicher Überzeugung geleisteten "Dienst am Nächsten", führte der Vorsitzende Richter Karl-Herbert Dudenbostel aus. Das Gericht ließ eine Revision beim Bundesarbeitsgericht zu. (AZ: 8 SA 788/10)

Das Landesarbeitsgericht Hamm hob mit seiner Entscheidung ein Urteil das Arbeitsgerichtes Bielefeld aus dem vergangenen Jahr auf. Das Bielefelder Gericht hatte Streiks in der evangelische Kirche und ihren diakonischen Einrichtungen mit Hinweis auf das grundgesetzlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen untersagt.

Ver.di: "Lichtblick für Diakonie-Beschäftigte" 

Der Ausschluss des Streikrechtes lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass in kirchlichen Einrichtungen der "Dritte Weg" beschritten werde, führte das Gericht in Hamm aus. Dieses Verfahren zur Lohnfindung sei kein gleichwertiges System zu Tarifvertragsverhandlungen, wie sie in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst üblich sind.

Beim "Dritten Weg" handeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer paritätisch besetzten Kommission die Tarife für die Beschäftigten aus. Kommt keine Einigung zustande, tritt eine Schiedskommission zusammen, deren Spruch verbindlich ist. Streik und Aussperrung sind nach dem Kirchenrecht bislang verboten.

Die Gewerkschaft ver.di wertete die Entscheidung des Gerichts als "Lichtblick für die Beschäftigten der Diakonie". Künftig seien Verhandlungen auf Augenhöhe mit den diakonischen Arbeitgebern möglich, erklärte die Gewerkschaft in Berlin. "Streikrecht ist ein Grundrecht, das für alle gilt - auch für die Diakonie-Beschäftigten", hob ver.di hervor.

Diakonie: Mitarbeiter nicht unterscheiden

Der Vorstandssprecher der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Günther Barenhoff, äußerte Unverständnis über die Entscheidung. Eine Unterscheidung in Mitarbeiter, die Dienst am Nächsten leisteten, und Beschäftigte, die nur in der Küche arbeiteten, sei praxisfern. Schließlich seien alle Mitarbeiter daran beteiligt, dass es den betreuten Menschen gutgehe.

Hintergrund ist ein heftiger Streit zwischen der Gewerkschaft ver.di und Einrichtungen verschiedener diakonischer Träger im Diakonieverband Rheinland-Westfalen-Lippe sowie der westfälischen und der hannoverschen Landeskirche. Anlass war ein Streikaufruf von ver.di im Jahr 2009 für Diakonie-Beschäftigte in mehreren Bundesländern.

Ver.di hatte argumentiert, das Grundrecht auf Streik könne nicht durch das Kirchenrecht außer Kraft gesetzt werden. Kirchen und Diakonie hatten dagegen darauf verwiesen, dass die Satzungen der kirchlichen Einrichtungen, die dem Dritten Weg folgten, nicht nur Streiks, sondern auch Aussperrungen ausschlössen.

epd