Sollen schwule Pfarrer oder lesbische Pfarrerinnen mit ihren Partnern im Pfarrhaus leben dürfen? Über diese Frage wird in der evangelischen Kirche aktuell wieder gestritten. Seit kurzem sind evangelische Pfarrhäuser in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern für schwule und lesbische Paare nicht länger tabu. Womöglich aufgeschreckt durch diese Entscheidungen der Landessynoden haben sich acht Altbischöfe nun deutlich gegen diese liberale Regelung ausgesprochen. Es gehe dabei im Grunde "um nichts Geringeres als um die Frage, ob evangelische Kirchen darauf bestehen, dass die Heilige Schrift die alleinige Grundlage für den Glauben und das Leben ihrer Mitglieder und für den Dienst und die Lebensführung ihrer ordinierten Pfarrerinnen und Pfarrer bleibt", heißt es in dem Brief, der in der Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlicht worden ist.
Hintergrund der Debatte ist die Neuregelung des Pfarrdienstgesetzes in den Landeskirchen der EKD. Nach zähem Ringen hatte sich die EKD-Synode im vergangenen November auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf für alle Landeskirchen geeinigt. Dieser muss nun durch die einzelnen Landeskirchen beschlossen werden. Dann würde erstmals für alle Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland, die einer EKD-Landeskirche angehören, dasselbe Dienstrecht gelten.
"Ehe und Familie"
Umstritten ist dabei der Paragraf 39, der das Thema "Ehe und Familie" regelt. In einem zwischenzeitlichen Entwurf waren in diesem Paragrafen auch "Eingetragene Partnerschaften" oder „gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften“ erwähnt worden. Diese finden sich nun nicht im Wortlaut des Paragrafen. In der "Begründung" des Paragrafen, der den Gliedkirchen eine bestimmte Auslegung des Gesetzes nahelegt, heißt es jedoch, der im Gesetz gewählte Begriff "familiäres Zusammenleben" umfasse nicht nur das generationsübergreifende Zusammenleben, sondern jede Form des rechtsverbindlich geordneten Zusammenlebens von mindestens zwei Menschen.
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Wie die einzelnen Landeskirchen den Paragrafen anwenden, liege in deren Entscheidung, sagte EKD-Sprecher Reinhard Mawick evangelisch.de. Die "Nuancen in der Beurteilung" seien unterschiedlich. "Es gibt Differenzen und das Gesetz berücksichtigt dies." De facto bedeutet dies, dass das Dienstrecht der landeskirchlichen Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland zwar künftig dem Wortlaut nach identisch sein wird, es in der Anwendung aber weiterhin zu regionalen Unterschieden kommt. Marwick betonte, entscheidend sei ohnehin, dass der Pfarrer oder die Pfarrerin "mit der Gemeinde vor Ort klarkommt".
Die Altbischöfe fordern die Landessynode auf, die "Begründung" des Paragrafen 39 nicht mitzubeschließen und lediglich den Wortlaut, in dem Eingetragene Lebensgemeinschaften nicht erwähnt werden, zu verabschieden. "Die Gründe der Heiligen Schrift, mit denen die Kirche Homosexualität als widernatürlich und schöpfungswidrig zu beurteilen hat, sollten auch von denen ernst genommen werden, die sie ihrerseits ablehnen", heißt es in dem Brief.
Auslegung der Bibel
Die Altbischöfe berufen sich unter anderem auf den Römerbrief 1 (26-28): "Deswegen hat Gott sie dahingegeben in schändliche Leidenschaften. Denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr in den unnatürlichen verwandelt, und ebenso haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen, sind in ihrer Wollust zueinander entbrannt, indem sie Männer mit Männern Schande trieben, und empfingen den gebührenden Lohn ihrer Verirrung an sich selbst."
Über die Auslegung dieser und anderer Bibelstellen (etwa 1. Mose 1, 27f.; 1. Kor. 6,9 f.) zur Homosexualität wird gestritten. Liberale Theologen verweisen in der Regel darauf, bei der Auslegung der Bibelstellen müsse bedacht werden, dass anlagebedingte Homosexualität damals aufgrund fehlender Erkenntnisse nicht im Blick gewesen sei. Die Ablehnung von Homosexualität dürfe daher nicht kontextlos zitiert werden, die entsprechenden Bibeltexte seien vielmehr "von der Mitte der Schrift", als vom Kern der christlichen Botschaft her, zu deuten. Konservative Theologen fordern, die Bibelstellen dürften eben nicht als Ausdruck einer überholten kulturgeschichtlichen Situation relativiert werden.
Die Autoren des offenen Briefes fordern, die Gegensätze in den Gliedkirchen müssten ausgehalten werden. "Wenn die Ordnung der Kirche eine Ordination gleichgeschlechtlich Lebender und ihre Aufnahme in den pfarramtlichen Dienst ausschließt, so bedeutet das keineswegs, dass diesen damit ihre Menschenwürde abgesprochen würde", heißt es in dem Brief. Neben Wilckens haben ihn auch die Altbischöfe Eduard Berger (66, Pommern), Heinrich Hermanns (71), Jürgen Johannesdotter (67, beide Schaumburg-Lippe), Werner Leich (83, Thüringen), Gerhard Maier (73), Theo Sorg (81, beide Württemberg) sowie Gerhard Müller (81, Braunschweig) unterzeichnet. Sie alle werden dem konservativen Kirchenflügel zugerechnet.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de, Thomas Östreicher ist freier Journalist.