EKD-Ratsvorsitzender kritisiert Hartz-IV-Berechnung
Die Hartz-IV-Reform wird nach Einschätzung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, Verbesserungen bringen. Das Bildungspaket für Kinder sei der richtige Ansatz. Allerdings kritisierte Schneider die Berechungsgrundlage für die Regelsätze.

Die Bildungsförderung müsse so umgesetzt werden, dass Kinder aus armen Familien nicht diskriminiert würden, betonte der sozialethisch profilierte Theologe. Die Bildungshilfen sollten daher über die Kommunen vermittelt werden, die mit ihrer Sozial- und Jugendarbeit "näher dran" seien an den Betroffenen als die Jobcenter der Arbeitsagenturen.

Kritik äußerte Schneider aber an den Berechnungsgrundlagen für die Regelbedarfe. Manches zeuge von einem misstrauischen Umgang mit Menschen und stelle ihre Würde in Frage. Dass für die Berechnung des Hartz-IV-Regelsatzes nicht mehr die unteren 20 Prozent der Einkommen berücksichtigt werden, sondern die unteren 15 Prozent, rügt Schneider als willkürlich: "Das hat offenbar nur den Zweck, etwas einzusparen." Zur geplanten Erhöhung des Satzes für Erwachsene um fünf auf 364 Euro sagte der EKD-Ratsvorsitzende, nach Berechnungen der Diakonie müsse dieser Betrag bei über 400 Euro liegen.

Ein klares Bekenntnis legte Schneider zu Mindestlöhnen ab. Wo es keine entsprechenden Tarifvereinbarungen gebe, sollten flächendeckend staatliche Mindestlöhne eingeführt werden, die deutlich über der Grundsicherung liegen. "Der Grundsatz muss sein, dass ein Beschäftigter mit einer Vollzeitstelle seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie absichern kann", sagte der Präses. Insgesamt sei in Deutschland das Lohnniveau zu niedrig, in den letzten 20 Jahren sei die Entwicklung überwiegend "zu Gunsten der Arbeitgeber und der Kapitalseite gelaufen".

Für bedenklich hält der oberste Repräsentant des deutschen Protestantismus vor allem die Ausweitung des Niedriglohnsektors und der Leiharbeit. Mit Steuergeldern würden hier Gewinne von Unternehmen subventioniert. "Das ist ordnungspolitisch problematisch, und man könnte fragen, ob dieser Bereich gemeinnützig zu machen wäre."

Insgesamt erhofft sich der EKD-Ratsvorsitzende eine Sozialpolitik, die "besser vernetzt ist und mehr aus einer Hand kommt". Außerdem müsse der wirkliche Bedarf der Menschen gedeckt werden. Dass es Lücken in der Versorgung Bedürftiger gebe, zeigten Lebensmittel-Tafeln und Kleiderkammern, "die schon fast Teil des Sozialsystems sind".

epd