Einsatz für Religionsfreiheit hat keine Grenzen!
Der Anschlag auf einen koptischen Neujahrsgottesdienst in Ägypten mit 23 Toten hat den Blick auf die weltweiten Christenverfolgungen gelenkt. In einem Beitrag für evangelisch.de erläutert der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, wie der Westen den bedrängten Gläubigen in der islamischen Welt helfen kann. Zugleich verweist er darauf, dass nicht nur Christen Opfer einer verbreiteten Einschränkung von Religionsfreiheit sind.
12.01.2011
Von Martin Schindehütte

Von Nigeria über Ägypten bis nach Pakistan: Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben einmal mehr die öffentliche Aufmerksamkeit auf die schwierige Situation von Christinnen und Christen in der Welt gelenkt. Tatsächlich erreicht die Gewalt gegen religiöse Minderheiten in bestimmten Regionen wie etwa dem Nahen Osten eine neue Intensität. Das Engagement für die Religionsfreiheit ist notwendiger denn je.

Bedauerlicherweise sind es immer wieder besonders Länder mit starker muslimischer Prägung, in denen solche Anschläge und Übergriffe vor allem einem Ziel dienen sollen, nämlich Christen und andere religiösen Minderheiten das Recht auf Existenz in einem Land und einer Gesellschaft zu bestreiten, Druck auf die örtlichen Regierungen auszuüben und die Zivilgesellschaft zu destabilisieren. Dass christliche Gemeinden davon in besonderem Maße betroffen sind, ist eine traurige Tatsache. Doch richtet sich der Terror auch gegen Angehörige andere Minderheiten, wie beispielsweise die Baha‘i im Iran oder sogar Muslime in einigen indischen Bundesstaaten. Und dann gibt es auch noch gewaltsame Auseinandersetzungen innerhalb von Religionen. Religionsfreiheit ist auch innerhalb von Religionen bedeutsam.

Universale und unteilbare Menschenrechte

Bei genauerer Betrachtung der verschiedenen Konflikte zeigt sich: Opfer gibt es auf allen Seiten zu beklagen, bei allen Religionen! Daran wird deutlich, dass der Einsatz für Religionsfreiheit weltweit nicht nur Christinnen und Christen betrifft, sondern im Sinne der universalen und unteilbaren Menschenrechte alle Menschen im Blick hat. Die EKD hat es sich schon lange zur Aufgabe gemacht, für den Schutz der Religionsfreiheit einzutreten – nicht nur, aber selbstverständlich auch und in besonderer Weise für ihre christlichen Geschwister, "des Glaubens Genossen".

Immmer öfter und sehr klar wurde in der jüngeren Vergangenheit öffentlich Position bezogen zur Lage von bedrängten Christinnen und Christen in Ländern wie dem Irak, aber auch in Ägypten, Iran, Pakistan, im Heiligen Land und anderen Staaten – auch der Türkei. Darüber hinaus arbeiten die EKD und ihre Gliedkirchen besonders im Rahmen des Ökumenischen Rates der Kirchen mit vielen Kirchen zusammen und leisten konkrete Hilfen wie etwa beim Aufbau von Gotteshäusern und Schulen im Nordirak.

Manche Aktion ist nur diskret möglich

Der Großteil des kirchlichen Einsatzes für bedrängte und verfolgte Christinnen und Christen geschieht aber ganz alltäglich und im Stillen. Zum einen zeigt die Erfahrung, dass das rechte Wort zur rechten Zeit und am rechten Ort oft besser wirkt als plakative Schlagzeilen einer öffentlichen Kampagne, die eher der Logik der Medien als der Wirkung für die Betroffenen folgt. Manche Aktion ist nur in diskreter Weise möglich und angebracht, etwa das Einwirken auf politisch Verantwortliche und Entscheidungsträger. In vielen Fällen wird den Betroffenen damit mehr geholfen als durch öffentliche Kampagnen, die Verantwortliche unter dem Druck der Öffentlichkeit eher verhärten als für eine Lösung zu öffnen.

In jedem Fall bleibt der Einsatz für die Religionsfreiheit auf verschiedenen Ebenen ein wesentlicher Schwerpunkt des menschenrechtlichen Engagements der Kirchen. Dieses Engagement ist auch deshalb besonders wichtig, dass das Bekenntnis zu einer universellen Religionsfreiheit, die allen Religionsgemeinschaften gleichermaßen gilt, eine entscheidende Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen, Religionen und Konfessionen ist.

Wo in Wahrnehmung positiver Religionsfreiheit Glaube öffentlich gelebt werden kann, schafft er Wissen und Respekt voreinander und trägt zum Diskurs über die Werte und Grundorientierungen einer Gesellschaft bei und stärkt die Kräfte, die sich für das Gemeinwohl einsetzen. In diesem Sinne ist die Wahrung der Religionsfreiheit eine unverzichtbare Voraussetzung und ein wichtiges Ferment des demokratischen Prozesses.

Auch das Gebet hilft den Verfolgten

Um diejenigen zu schützen und zu stärken, die ihren Glauben nicht frei leben und ausüben können, können Christinnen und Christen auch hierzulande einen eigenen Beitrag leisten. Zuerst durch einen Respekt vor der Religion anderer. Natürlich auch durch konkrete Unterstützung von Hilfsprojekte und persönliche Kontakte mit Menschen, die um Ihres Glaubens willen ihre Land verlassen musste, wie etwa Christen aus dem Irak. Oft haben sie Kontakt zu ihren bedrängten und verfolgten Glaubensgeschwistern, die noch unter den bedrängenden Umständen leben müssen.

Schließlich ist esfür bedrängte und verfolget Christen eine große Stärkung, wenn sie wissen, dass wir für sie beten. Mit der EKD-weiten Fürbitte für bedrängte und verfolgte Christen jeweils am zweiten Sonntag der Passionszeit (Reminiszere) wird die bedrohliche Lage vieler Gläubiger vor Gott gebracht. Das kann Beispiel und Anleitung sein für die eigene ganz persönliche Fürbitte. Im Gebet wenden wir uns an Gott in der Gewissheit unseres gemeinsamen Glaubens, dass die Gewalt und Bedrängnis, die Menschen um ihres Glaubens willen erfahren, auch von Gott selbst erlitten wird – und: dass er das letzte Wort des Trostes, des Friedens und der Versöhnung hat.


Martin Schindehütte (61) ist Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und leitet dort die Hauptabteilung "Ökumene und Auslandsarbeit". Der aus Hessen stammende Geistliche gehört dem Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) an.