Endlich wieder ein Dach über dem Kopf: 500 Häuser für Haiti
Noch lange ist nicht alles gut in Haiti: Das erdbebengeplagte Land hatte im vergangenen Jahr mehr als 230.000 Tote zu beklagen. Doch es gibt auch Hoffnung, wie unser Gastautor berichtet.
12.01.2011
Von Rainer Lang

Die 42-Jährige strahlt und umarmt jeden Besucher. Sie ist froh, dass in ihrer Familie niemand gestorben ist. Der Direktorin der Diakonie Katastrophenhilfe, Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel, erklärt sie, dass die ganze Rückseite des Hauses beim Erdbeben weggebrochen ist. Jetzt freut sie sich darüber, "wieder zu Hause zu sein bei der Familie". Eine Schwester lebt im Nachbarhaus. Dazu habe sie quasi eine zweite Familie bekommen: die Mitarbeiter der Diakonie Katastrophenhilfe, sagt sie.

Es ist schön zu sehen, wenn Menschen wieder eine Perspektive bekommen. So ist es auch bei Vena Pierre. Die Mutter von drei Kindern strahlt. Nach mehr als zehn Monaten in einem Zelt im Übergangslager in Jacmel im Südosten des Landes konnte sie wieder in ihr Haus einziehen. Dieses wurde von der Diakonie Katastrophenhilfe aufgebaut. Das evangelische Hilfswerk hat in Jacmel und im benachbarten Bainet schon 500 Häuser errichtet. 800 weitere sind geplant.

Noch immer Wunden und Trauer

Nach dem Erdbeben am 12. Januar 2010 war nur die Vorderfront des Hauses stehengeblieben. Enorm war damals das Ausmaß der Zerstörung. Die Welt hielt den Atem an und das Land stand unter Schock. Riesige Trümmerberge hatten mehr als 230.000 Menschen unter sich begraben. Es ist eine fast unvorstellbare Zahl. Und fast jede Familie in der Hauptstadt Port-au-Prince sowie in Jacmel und Bainet hatte Opfer zu beklagen. Bis heute nimmt die Trauerbewältigung einen zentralen Aspekt ein im Leben der Haitianer. Die Kirchen sind zu Orten der Trauer geworden, wo sich Menschen regelmäßig versammeln, um der Toten zu gedenken, von denen viele in Massengräbern beerdigt wurden.

Ein Jahr danach sieht man immer noch deutlich die Wunden, die das Erdbeben hinterlassen hat. Das Ausmaß der Zerstörung ist groß. Mehr als eine Million Menschen hausen noch in Notunterkünften. In den Zelten dort ist es unerträglich heiß und eng. In den Lagern gibt es kaum Privatsphäre. Und jetzt werden die Zelte alt und undicht – Wasser dringt ein. Das war gerade in der Hurrikan-Saison schwierig für die Menschen. Viele müssen sich noch auf längere Zeit in den Lagern einstellen, weil die Besitzverhältnisse nicht geklärt sind, wenn Dokumente verloren gingen, oder offen ist, wer die Häuser wieder aufbaut, in denen Menschen zur Miete lebten.

Weitere 800 Häuser geplant

Die Zelte in Lagern in Jacmel und weitere Hilfsgüter, darunter Hygieneartikel, Decken und Medikamente und teilweise Nahrungsmittel, hatte damals die Diakonie Katastrophenhilfe gleich nach dem Erdbeben bereitgestellt. Das evangelische Hilfswerk war schon seit knapp fünf Jahren in der Region mit seinen Partnerorganisationen vor allem in der Ernährungssicherung und bei der Katastrophenvorsorge tätig und konnte so im vergangenen Januar schnell reagieren.

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Die Aufgabe für die Diakonie Katastrophenhilfe ist angesichts der riesigen Zerstörungen durch das Erdbeben enorm. Dabei übernahm das Hilfswerk beim Wiederaufbau nicht nur in der Schwerpunktregion im Südosten des Landes in Jacmel und Bainet, sondern auch im ganzen Land eine Vorreiterrolle. Denn die Katastrophenhilfe hat sich dazu entschlossen, von Beginn an dauerhafte Häuser zu errichten und keine Notunterkünfte.

"Diese sind zum Teil noch teurer als die von uns gebauten Häuser", sagt die Leiterin des Büros der Diakonie Katastrophenhilfe in Haiti, Astrid Nissen. Sie kann auf eine stattliche Bilanz verweisen.
In Jacmel und Bainet baute die Diakonie Katastrophenhilfe rund 500 Häuser, 800 weitere sind geplant. Auch im Westen von Port-au-Prince, in den Bergen bei Petit Goave, entstehen 300 Häuser. Daneben hat das evangelische Hilfswerk im Südosten drei Schulen wieder aufgebaut, und vier Gesundheitsstationen und eine Klinik werden wieder hergestellt.

Jahrzehntelang unterernährt

Die Diakonie Katastrophenhilfe engagiert sich auch im Kampf gegen Cholera. Die Partnerorganisation Osapo hat auf dem Land 80 Kilometer nördlich von Port-au-Prince in ihrer Klinik auf dem Land eine Cholera-Station eingerichtet und dort schon rund 1.000 Patienten erfolgreich behandelt.
Die Direktorin der Diakonie Katastrophenhilfe, Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel, bezeichnete dieses Engagement auf dem Land als besonders wichtig, weil es dort bislang kein funktionierendes Gesundheitssystem gibt: "Dort sterben viele Menschen an Cholera, weil sie die Klinik in der Stadt nicht rechtzeitig erreichen."

"Diese Toten tauchen in keiner Statistik auf", betonte die Theologin bei ihrem Besuch in Haiti. Sie zeigte sich erschüttert darüber, wie viele Menschen angesichts "jahrzehntelanger vernachlässigter Unterstützung" an Unterernährung leiden. Deshalb engagiere sich die Diakonie Katastrophenhilfe seit 2005 dauerhaft im Land und werde den Menschen auch weiterhin beistehen.

Im ersten Jahr, von Januar bis Dezember 2010, hat die Diakonie Katastrophenhilfe für ihre Hilfe 23 Projekte bewilligt, in die insgesamt 8,8 Millionen Euro geflossen sind. Davon sind 6,4 Millionen Euro Spendenmittel; weitere 2,37 Millionen Euro wurden der Diakonie Katastrophenhilfe von der Bundesregierung für die Nothilfe in Haiti zur Verfügung gestellt.


Rainer Lang ist Sprecher der Diakonie Katastrophenhilfe in Stuttgart. Auf der Webseite der Hilfsorganisation gibt es auch die Möglichkeit, online zu spenden.