Wichtig sei der Blick auf "die konkrete Not von Menschen", sagte er am Montag vor der Synode der rheinischen Landeskirche in Bad Neuenahr. Anders als in der Abtreibungsdebatte gehe es bei der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) darum, "Leben zu ermöglichen und auf die Welt zu bringen".
Manche Paare, die durch erbliche Vorbelastungen eine schwere Behinderung ihres künftigen Kindes befürchten, befänden sich in einem existenziellen Dilemma, sagte der rheinische Präses: "Das Gleiche gilt für Paare, die vielleicht schon mehrfach erlitten haben, dass ihr Fötus nicht im Mutterleib gehalten werden konnte oder totgeboren wurde." Diese Paare erhofften sich von der künstlichen Befruchtung in Verbindung mit der PID die Erfüllung eines oft schon lange gehegten Kinderwunsches.
EKD will Haltung zu PID neu diskutieren
Die EKD hatte sich 2003 für ein PID-Verbot ausgesprochen, will ihre Haltung aber auf Initiative Schneiders hin neu diskutieren. Der oberste Repräsentant der rund 24 Millionen deutschen Protestanten hält eine Anwendung der PID unter strengen Auflagen für denkbar. Bei dem Verfahren werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten gentechnisch untersucht. Das Ziel ist, mittels Selektion die Weitergabe von Erbkrankheiten zu verhindern. Eine gesetzliche Neuregelung der PID steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte.
Schneider kündigte außerdem an, in Kürze die deutschen Soldaten in Afghanistan besuchen zu wollen. Er werde zusammen mit dem evangelischen Militärbischof Martin Dutzmann "in absehbarer Zeit" zu einer Pastoralreise nach Afghanistan aufbrechen. Den genauen Termin der Afghanistan-Reise wollte Schneider aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Eine mögliche Reise der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) soll erst nach der offiziellen EKD-Reise an den Hindukusch erfolgen.
Plädoyer für ehrliche Integration von Zuwanderern
Zum Thema Integration und religiöser Dialog sagte Schneider vor den Synodalen, die gut 2,8 Millionen rheinische Protestanten repräsentieren, es gehe nicht darum, "eine Mischreligion für alle zu entwickeln". Zuwanderer müssten sich aufgenommen fühlen können, ohne dass die Aufnehmenden ihre Wurzeln und Traditionen verleugnen.
Christen müssten ihre eigenen Glauben neu reflektieren, fügte Schneider hinzu. Sie seien herausgefordert davon, dass der Atheismus "lauter und aggressiver" werde und der Islam "unbefangen und von Aufklärung und Religionskritik kaum irritiert" auftrete. Schneider fordert einen aufgeklärten, europäischen Islam. "Der Islam ist willkommen und Teil unserer Gesellschaft, er muss dort hineinwachsen und sich etablieren - unter den Bedingungen, die hier gelten."
Die Kirche mahnte der rheinische Präses, sich nicht nur an Bürgertum und Mittelschicht zu wenden. Vielmehr gelte es den Glauben so zu bekennen und zu bezeugen, dass auch arme Menschen in der Kirche Heimat finden. Die Christen hätten zudem eine Verantwortung, Problemen wie Umweltkatastrophen, Hunger und Kriegen in der Welt zu begegnen.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und NRW-Sozialminister Guntram Schneider (beide SPD) hoben vor dem Kirchenparlament die Bedeutung der Kirchen für das Gemeinwesen in Deutschland hervor. Dies müsse sich auch der Staat etwas kosten lassen. Das Kirchenparlament tagt noch bis Freitag.