Südsudan entscheidet in Feierlaune über Unabhängigkeit
Im christlichen Südsudan hat am Sonntag die Abstimmung über eine Loslösung vom Norden begonnen. Möglicherweise entsteht bald ein neuer Staat in Afrika. Mehr als zwei Jahrzehnte, bis 2005, hatte ein Bürgerkrieg das Land zerrüttet.
09.01.2011
Von Dagmar Wittek

Singende Frauen und in die Landesflagge gehüllte Männer standen in langen Schlangen vor den Wahllokalen. Die meisten befanden sich in Feierlaune. "Der Tag für den wir so lange gekämpft haben ist endlich da", sagte der Südsudanese David Akol an einer Wahlstation in Juba. Akol ist einer von rund 3,9 Millionen Menschen, die bis Samstag darüber abstimmen können, ob der Südsudan unabhängig werden, oder weiterhin zum islamisch-arabisch geprägten Nordsudan gehören soll. Der Süden des Sudans ist reich an Ölvorkommen und wird vorwiegend von Christen und Anhängern afrikanischer Religionen bewohnt.

Experten gehen davon aus, dass es zu einer Spaltung des Sudan kommen wird. Wer immer an den Wahlstationen von Beobachtern und Journalisten befragt wurde, es fand sich keiner, der gegen die Unabhängigkeit stimmen wollte. Das Referendum ist Bestandteil des Friedensabkommens von 2005, das einen zwei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan beendet hatte. "Ich bin sehr froh, dass wir die Araber nun endlich loswerden", grinste der 36-jährige Soldat Mawien Mabut. Er habe sein Leben lang für die Unabhängigkeit gekämpft, so der junge Mann.

"Ein historischer Moment"

"Dies ist ein historischer Moment", sagte der Vizepräsident des Sudan, Salva Kiir bei seiner Stimmabgabe am frühen Morgen. Sein Urnengang wurde begleitet von hunderten jubelnden Sudanesen, sowie dem Sudanaktivisten und Schauspieler George Clooney und US-Senator John Kerry. Kiir, der mit seinem Markenzeichen, einem schwarzen Cowboyhut, auftrat, war sichtlich gerührt als er in einer kurzen Ansprache der rund zwei Millionen Opfern des 22-jährigen Bürgerkriegs gedachte. "Ich bin sicher, sie sind nicht umsonst gestorben", so Kiir. Frauen hielten Banner hoch, auf denen stand "Der Weg zur Unabhängigkeit" und "Die Geburt einer neuen Nation auf dem afrikanischen Kontinent".

Der stellvertretende Vorsitzende der südsudanesischen Referendum-Kommission, Chan Reec, freute sich über den bisher ruhigen und "geordneten" Verlauf. Der UN-Sicherheitsrat hatte an alle Beteiligten appelliert, für eine gewaltfreie und transparente Abstimmung zu sorgen. Véronique De Keyser, Leiterin der 100 von der Europäischen Union entsandten Wahlbeobachter, äußerte sich am ersten Wahltag positiv. Die Abstimmung sei dem Anschein nach "gut angelaufen", sie sei "sehr, sehr gut organisiert", so De Keyser.

Baschir will Ergebnis anerkennen

Der sudanesische Präsident Omar Hassan al-Baschir versicherte, er werde das Ergebnis anerkennen. Al-Baschir warnte aber auch, dass ein unabhängiger Südsudan wirtschaftlich und politisch "instabil" sein werde. Im Vorfeld des Referendums war es immer wieder vereinzelt zu Ausschreitungen mit Toten und Verletzten zwischen verschiedenen Rebellengruppen und der staatlichen Armee gekommen. Zuletzt wurden am Samstag neun Menschen im umstrittenen Grenzgebiet zwischen Nord- und Südsudan getötet, am ersten Wahltag blieb es jedoch ruhig.

Die rund 4.000 Wahlbeobachter aus der EU, der Afrikanischen Union, der UN und den USA urteilten weitgehend einheitlich, dass der erste Tag des Unabhängigkeitsreferendums im Süden des Sudans erfolgreich verlaufen sei. Sollte das Votum wie erwartet für eine Unabhängigkeit ausfallen, wird am 9. Juli ein neuer afrikanischer Staat entstehen. Dafür müssen 60 Prozent der Wähler für eine Abspaltung des Südsudan stimmen. Der Nordsudan würde in dem Fall ein Viertel seiner bisherigen Landesfläche verlieren. Die acht Millionen Menschen im Süden stellen ein Fünftel der 42 Millionen Sudanesen. Mit einem Endergebnis der Volksabstimmung wird frühestens Ende Januar gerechnet.

epd