Wasser statt Wein: Mosel flutet die ersten Keller
Nasse Füße: An der Mosel stehen ganze Häuserreihen tief im Wasser. Viele Straßen, Weinberge und Keller sind überflutet. In Zell kam die Flut blitzschnell. Immerhin: Die hochwassererfahrenen Anrainer hatten noch Schlimmeres befürchtet.
09.01.2011
Von Birgit Reichert und Tobias Goerke

Im Haus von Joachim Lay steht das Wasser fast meterhoch. Der Keller ist bis zur Decke geflutet. Und vor die Türe kommt der Geschäftsmann nur mit Boot oder Hochwasserhose. Sein gut 100 Jahre altes Haus an der Uferpromenade in Zell gehörte zu den ersten, die beim Mosel-Hochwasser am Samstag vollliefen. Die Schutzmauer des 5.000-Einwohner-Städtchens hatte die Wassermassen nicht mehr halten können - die Mosel schwappte über.

"Wir waren zwar darauf vorbereitet, aber es ist schlimm", sagt Lay am Sonntag. 100 Häuser der Zeller Altstadt, die in erster und zweiter Reihe an den Fluss grenzen, stehen im Wasser. Darunter viele Läden, Restaurants und Weinstuben. In Koblenz erwartete man die größten Fluten noch für den Wochenbeginn.

Regen schwächer als befürchtet

Zell hat es bei diesem Januarhochwasser besonders hart getroffen. Aber auch in Cochem, Reil, Zeltingen und Merl haben Moselanrainer nasse Füße bekommen. Insgesamt sind um die 30 Gemeinden betroffen, sagt ein Sprecher des Hochwassermeldezentrums Mosel in Trier. Zig Straßen sind überflutet, Weinberge überschwemmt, Campingplätze komplett unter Wasser. Und dennoch: Die Menschen sind erleichtert, dass es nicht noch schlimmer kam. Warum es glimpflich ausging? Es hat nicht ganz so viel geregnet, wie erwartet.

"Wir hatten mit einem Pegelstand von zehn Metern in Trier gerechnet", sagt ein Zeller. Nach letzten Prognosen sollte der Trierer Höchststand am Sonntagabend knapp unter neun Metern liegen - 5,50 Meter über normal. Großes Aufatmen auch in einigen Moselorten: "Es sieht so aus, als hätten wir gerade noch mal Glück gehabt", sagt Wolfgang Prüm des Weinguts Joh. Jos. Prüm in Bernkastel-Kues. Ein Meter mehr, und auch bei ihm wäre Wasser eingelaufen.

"Man muss sich arrangieren"

"Man muss sich eben mit dem Wasser arrangieren", sagt Karl-Heinz Weis, dessen Weinstube in Zell auch unter Wasser steht. Besonders ärgerlich sei die Zeit, die mit dem Hochwasser draufgehe. Einen Tag Ausräumen, einen Tag Warten und dann tagelang Aufräumen. Die Flut bedeute für viele große finanzielle Verluste. Nicht nur am Gemäuer, sondern auch Geschäftsausfall und Personalkosten. Zuletzt war die Zeller Altstadt im Jahr 2003 überschwemmt worden.

"Gut war, dass die Moselanrainer genug Zeit zum Räumen hatten", sagt ein Polizist. In der Tat - die Moselaner haben sich seit Tagen wegen der angekündigten Schneeschmelze auf die übervolle Mosel vorbereitet. Überall, wo es kritisch werden konnte, lagen Pumpen und Sandsäcke bereit. Die Keller wurden leergeräumt. In Zell ging es dann blitzschnell: "Als die Mosel über die Mauer kam, ist die Stadt ruckzuck vollgelaufen", sagt der Wehrleiter der Verbandsgemeinde Zell, Markus Morsch. Überall liegen am Sonntag noch Boote auf Abruf bereit.

Es sei ein Durchschnittshochwasser, wie es etwa alle fünf Jahre eintritt, sagt Michael Schäfer vom Meldezentrum Trier. "Für die Betroffenen ist es aber natürlich tragisch." Das letzte Mosel-Hochwasser dieser Größenordnung kam im Januar 2003 auf 9,81 Meter am Pegel Trier. Beim "Jahrhunderthochwasser" 1993 waren es 11,28 Meter.

Moselfluten drücken zum Rhein

Unterdessen bereitet sich Koblenz auf das Wasser vor, denn die Fluten der Mosel drücken jetzt zur Mündung in den Rhein am Deutschen Eck. Dort rechnet die Feuerwehr für Montag mit einem Höchststand von 7,50 bis 8,00 Metern am Rhein-Pegel - rund anderthalb Meter unter dem Rekordhochwasser. Schon jetzt sind in einigen Stadtteilen Straßen überflutet und Keller vollgelaufen. Das Deutsche Eck ist schon zum Teil überspült (Foto: dpa)

Kurz dahinter läuten am Vormittag in der Basilika Sankt Kastor die Glocken. "Komisch, dass heute keiner kommt", sagt der Küster augenzwinkernd. Am Samstag hatte es hier anders ausgesehen - viele Menschen kamen, um die sonst eher ruhige Mosel als reißenden Strom zu erleben. "Die Leute sind ja verrückt bei sowas - als hätten sie noch nie Wasser gesehen", sagt ein Wachmann an einem Baustellengelände.

Auf der anderen Moselseite im Stadtteil Lützel ist es bald vorbei mit der Ruhe des Sonntagmorgens, immer mehr Anwohner räumen ihre Garagen aus. Den Ufer-Campingplatz hat der Fluss schon verschluckt, nun steht das Wasser meterhoch in einer Schrebergartensiedlung. Viel fehlt nicht mehr bis zu der dahinterliegenden Häuserzeile, vor der noch etliche Autos parken. "Die Leute sind ja erfahren, was das angeht", meint eine Frau vom Ordnungsamt. Sie geht nun aber mit Kollegen von Haus zu Haus, um die Menschen zu warnen.

"Schreiben sie bloß nicht, dass die Leute das Hochwasser mit Gelassenheit nehmen", mahnt Erika Zickhart. Ihr Mann ergänzt: "Wenn nur zehn Zentimeter in den Hausflur laufen, ist das eine unglaubliche Sauerei." Im Keller habe er bereits die meisten Habseligkeiten auf Böcke gestellt. Bevor sie weiterarbeiten, sagt Frau Zickhart: "Man muss es ertragen, aber das ändert ja nichts an dem Elend."