Dürfen Ärzte ihren Patienten beim Suizid helfen?
Unter prominenten evangelischen Sozialethiker wie Wolfgang Huber und Hartmut Kreß ist eine Debatte über die Zulässigkeit der ärztlichen Beihilfe zur Selbsttötung entbrannt. Verboten ist die Beihilfe in Deutschland nicht.

Die Beihilfe zum Suizid dürfe nicht zu einer anerkannten oder gar abrechenbaren ärztlichen Leistung werden, warnt Altbischof Wolfgang Huber in der neuen Ausgabe der "Zeitschrift für Rechtspolitik". In der selben Publikation wirbt der evangelische Sozialethiker Hartmut Kreß dafür, die Zulässigkeit der ärztlich unterstützten Selbsttötung in Deutschland zu klären.

Eine neue Debatte über Suizidhilfe löste der Entwurf für neue Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung aus, der in der Ärzteschaft kontrovers diskutiert wird. Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe sagte Ende Dezember, es könne nicht länger daran festgehalten werden, dass die Beihilfe zum Suizid nach ärztlichem Standesrecht als unethisch verboten sei, während sie nach dem Strafrecht nicht verfolgt werde. Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar, die dafür geeigneten Wirkstoffe dürfen aber für diesen Zweck nicht verordnet werden.

"Klarheit des ärztlichen Auftrags würde leiden"

"Würde die Beihilfe zum Suizid zum Teil des ärztlichen Standesethos, so würde die Klarheit des ärztlichen Auftrags Schaden leiden", argumentiert Huber. Die ärztliche Verpflichtung zur Bewahrung des Lebens würde dann ebenso in Zweifel gezogen wie die Pflicht des Arztes, niemanden zu schaden.

Auch der Hinweis auf Einzelschicksale dürfe die Unterschiede zwischen Beistand im Sterben und Beihilfe zur Selbsttötung oder Tötung auf Verlangen nicht einebnen, schreibt der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Vielmehr müsse deutlich bleiben, dass jeder ethisch schuldig wird, "der einem Menschenleben durch aktives Tun ein Ende setzt".

Die Frage, ob der Wille zur Selbsttötung ärztlich unterstützt wird, sei nur in persönlicher Verantwortung und nicht durch Gesetz zu beantworten, gibt Huber zu bedenken. Unter dem Ratsvorsitzenden Huber hatte die EKD Bestrebungen, ärztlichen Beistand zur Selbsttötung zuzulassen, eine Absage erteilt. Eine gesetzliche Verankerung der ärztlichen Suizidhilfe und die Einschränkung der Garantenpflicht des Arztes lehnt die EKD ab.

Kreß: An US-Regelungen anknüpfen

Hingegen tritt der in Bonn lehrende Sozialethiker Kreß dafür ein, zum assistierten Suizid bestehende Unklarkeiten und Widersprüche im deutschen Recht zu beseitigen. Dabei könne an Regelungen verschiedener US-Bundesstaaten angeknüpft werden. Dort dürften Ärzte ein tödlich wirkendes Medikament verschreiben, wenn bestimmte Bedingungen wie Volljährigkeit, unheilbare Krankheit und Konsultation eines weiteren Mediziners eingehalten werden. "Solche Regeln schaffen Rechtssicherheit", folgert der Theologe. Zudem könnte auf diesem Weg "teilweise zwielichtigen Sterbehilfeorganisationen" der Boden entzogen werden.

Mit einer solchen Klärung könnte auch die Grauzone von "verdeckter Suizidbeihilfe" verkleinert werden. "Vor allem bliebe Menschen, die angesichts ihrer Krankheitslast einen Suizid erwägen, die Fahrt ins Ausland, der 'Sterbetourismus' erspart", argumentiert Kreß.

epd