Strenggläubiger Rapper Shyne will Hip-Hop ohne Flüche
Der jüdische Rapper Shyne hat wegen einer Schießerei zehn Jahre im Gefängnis gesessen. Nun will er mit "sauberer" Hip-Hop-Musik die Welt verbessern. In Jerusalem lernt Shyne mit strengreligiösen Rabbinern.
07.01.2011
Von Sara Lemel

Der Rapper Shyne will die Welt verbessern. Angefangen hat er mit sich selbst: Nach zehn Jahren Gefängnis lebt das jüdische Enfant terrible der Hip-Hop-Szene heute geläutert als ultra-orthodoxer Jude in Israel. Im Jerusalemer Luxushotel King David erklärt der 32-Jährige seine neue Lebensphilosophie: Er will mit "sauberer" Hip-Hop-Musik Millionen verdienen und sein Geld für wohltätige Zwecke einsetzen. "Ich habe als junger Mann einen schrecklichen Fehler gemacht und dafür bezahlt", sagt Shyne, der sich heute Moses Levi nennt. "Jetzt will ich in die Zukunft blicken."

"Ich habe Gott um Liebe gebeten und sie erhalten"

Shynes Lebensgeschichte ist selbst in der schillernden Welt der Rapper ungewöhnlich. Geboren wurde er als Jamal Barrow in Belize. Sein Vater, Dean Barrow, ist heute Ministerpräsident des zentralamerikanischen Landes. Shynes Mutter, eine Äthiopierin mit jüdischen Wurzeln, zog mit ihm nach New York, als er 13 war. Dort lebte er in ärmlichen Verhältnissen in einem Problemviertel in Brooklyn und schloss sich einer Straßengang an. Mit 15 wurde er bei einem Streit zum ersten Mal angeschossen.

Die Hip-Hop-Musik erschien zunächst als rettender Ausweg aus der Misere: Shynes musikalisches Talent wurde von dem Rapper und Musikproduzenten Sean Combs, bekannt auch als Diddy oder Puff Daddy, entdeckt und gefördert. Letztlich wurde ihm diese Bekanntschaft jedoch zum Verhängnis: Als er 1999 mit Combs und dessen damaliger Freundin eine New Yorker Disco besuchte, wurde Shyne in eine Schießerei verwickelt. Während Combs freigesprochen wurde, musste sein Zögling wegen versuchten Mordes für zehn Jahre ins Gefängnis.

"Ins Gefängnis gehen bringt die Karriere nicht gerade in Schwung", sagt Shyne trocken. "Um es genau zu sagen, ist es ein vernichtender Schlag für die Karriere." Umso erstaunlicher ist seine rasche Rückkehr an die Spitze der Hip-Hop-Szene: Kurz nach seiner Haftentlassung unterzeichnete er einen Vertrag mit dem Weltmarktführer Universal Music. "Seit ich aus dem Gefängnis freigekommen bin, ist mir ein Wunder nach dem anderen passiert", sagt der strenggläubige junge Mann mit dem Ziegenbart, der ein weißes Käppi auf dem Kopf trägt. "Ich habe Gott um Liebe gebeten und ich habe sie erhalten", lautet seine Erklärung.

"Warum sollten wir uns in Lumpen kleiden?"

Zu seinen jüdischen Wurzeln hat er nach eigenen Angaben schon während seiner Haft zurückgefunden. Im Gefängnis gab es dafür nur wenig Verständnis: "Sie gaben mir Schweinefleisch und sagten: Hier, das ist koscher." Heute trifft der Rapper sich fast täglich zu religiösen Studien mit Rabbinern einer streng-orthodoxen Strömung in Jerusalem.

Trotz seiner schwierigen Vergangenheit glaubt Shyne an eine rosige Zukunft: Am 5. April erscheinen zwei neue Alben, "Gangland" und "Messiah". Vorher plant der Musiker eine weltweite Tour, die in London beginnen und ihn durch Frankreich, Deutschland, Russland, Afrika, Asien, Australien, Zentralamerika bis in die USA führen soll. Im April will er für das jüdische Passahfest wieder in Jerusalem sein.

Shyne kritisiert Rapper, die in ihren Songs das Leben auf der Straße glorifizieren. "Das ist sehr gefährlich für Kinder", betont der 32-Jährige, der Bob Marley als sein wichtigstes Vorbild nennt. "Bob Marley hat 100 Millionen Platten verkauft - ohne ein einziges Schimpfwort." Der "neue" Shyne will auch Hip-Hop ohne Flüche machen. "Anstand hat sich in der Popkultur immer gut verkauft."

Seine demonstrative Nächstenliebe hindert Shyne nicht daran, sehr offen und ohne Scham ein Luxusleben zu führen. Er fahre gern in Luxuslimousinen oder fliege in Privatjets, sagt der Rapper. "Ich hoffe, dass ich eines Tages mein eigenes Raumschiff haben werde", sagt er unbescheiden. Shyne sieht keinen Widerspruch zwischen seinem Lebensstil und der Bescheidenheit strengreligiöser Juden. "Wir stammen doch von einer Linie der Könige ab", ruft der Rapper, der eine große goldene Armbanduhr trägt. "Warum sollten wir uns also in Lumpen kleiden?"

dpa