Probleme entstehen besonders in ländlichen Gebieten: Zur Geburtsvorbereitung und Nachsorge und möglicherweise auch zur Hausgeburt kommt eine freiberufliche Hebamme ins Haus der (werdenden) Mutter. Vor- und Nachsorge sind meistens noch gewährleistet, aber einige freiberufliche Hebammen können wegen der finanziellen Belastung keine direkte Geburtshilfe mehr leisten. Statt einer geplanten oder ungeplanten Hausgeburt müssen Frauen daher in manchen Fällen bis zu 80 Kilometer ins nächste Krankenhaus fahren.
Eine freiberufliche Hebamme verdient laut Margret Salzmann von Hebammenverband Schleswig-Holstein rund 14.000 Euro im Jahr. Davon gehen seit 2010 knapp 3700 Euro direkt an die Haftpflichtversicherung – bis im Vorjahr waren es 2700 Euro. Die Beiträge sind deshalb so rasant gestiegen, weil die Folgen von Geburtsschäden immer teuerer werden. Kommt ein Kind mit einer Behinderung zur Welt, klagen die Eltern immer häufiger Kosten ein: für den Umbau des Hauses, für die Ausbildung, für die Unterbringung in einer Einrichtung. Die Beträge gehen in die Millionen, deswegen wurde die Versicherungsprämien erhöht.
Kirche: "Geburten sind kein Luxus"
Dafür allein die Hebammen verantwortlich zu machen, findet nicht nur ihr Verband unfair. Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche unterstützt die Freiberuflerinnen mit einer breit angelegten Kampagne. "Geburten sind kein Luxus, sondern eine öffentliche Aufgabe", erklärt Pfarrer Johannes Ahrens, Referent des Bischofsbevollmächtigten Gothart Magaard im Sprengel Schleswig und Holstein. Zahlen sollten die Krankenkassen oder die Steuerzahler – nicht allein die Hebammen über ihre Versicherung.
Die Nordelbische Kirche hat deswegen zusammen mit den Hebammenverbänden Schlesweig-Holstein und Hamburg um Weihnachten herum 10.600 Unterschriften gesammelt. Sie wollen erreichen, dass die freiberuflichen Hebammen finanziell entlastet werden, so dass sie sich nicht gezwungen sehen, ihren Job an den Nagel zu hängen. Auch wenn die Kampagne der Kirche am 6. Januar 2011 offiziell beendet wurde, trudeln noch weitere Listen aus den Gemeinden im Büro von Johannes Ahrens ein.
Postkarten und Unterschriften für Minister Rösler
Postkarten mischen sich ebenfalls darunter. Das Motiv darauf nimmt Bezug zur Weihnachtsgeschichte: Im Nachthimmel über einer einzelnen kleinen Hütte steht geschrieben: "1 Verlobter, 3 Könige, Gold, Myrrhe, Weihrauch, 1 Engel, 1 Stern, mehrere Nutztiere, die himmlischen Heerscharen, 1 lieber Gott – Und wer hilft bei der Geburt Ihres Kindes?" Die Postkarten und Unterschriftenlisten will Gothart Magaard persönlich zu Gesundheitsminister Rösler nach Berlin bringen. Er wartet noch auf einen Termin.
"Ich glaube, dass Herr Rösler dafür offen ist", meint sein Referent Johannes Ahrens. "Es unterstützt ihn, wenn die Kirche Unterschriften bringt." Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche habe sich im vergangenen Jahr bewusst den Themenschwerpunkt Kinder, Kinderarmut und Familienschutz gesetzt – die Probleme der Hebammen gehörten dazu, "denn der Schutz der Kinder fängt im Mutterleib an", so Ahrens. Einige Hebammen hätten die Chance genutzt, in Gottesdiensten persönlich von ihrem Beruf und den finanziellen Gefahren zu berichten, das habe die Gemeinden besonders aufgerüttelt.
Die Hebammen in Schleswig Holstein und Hamburg freuen sich sehr über das Engagement der Nordelbischen Kirche. "Wenn die bischöflichen Vertreter mit dem Gesundheitsminister sprechen, hat das eine ganz andere Gewichtung als wenn wir es selber tun", glaubt die Verbandsvorsitzende Margret Salzmann. Die Kampagne soll bundesweit fortgesetzt werden, "bis wir das Ziel erreicht haben, dass es den Hebammen finanziell besser geht. Denn so können sie einfach nicht mehr überleben."