Jahr der Taufe: "Siehe, ich bin bei euch..."
Drei Landeskirchen haben am 6. Januar gemeinsam das Jahr der Taufe 2011 begonnen: Die Rheinische, die Westfälische und die Lippische. Aus diesem Anlass predigte der rheinische Präses Nikolaus Schneider in Meinerzhagen über Matthäus 28, 16-20. Evangelisch.de dokumentiert seine Predigt:
06.01.2011
Von Nikolaus Schneider

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!

Jesus ist gekreuzigt. Jesus ist begraben. Ein Stein versiegelt das Grab Jesu. Eine römische Wache sichert sein Grab. Jesus ist tot. Und mit seinem Leichnam sind – augenscheinlich – auch alle Hoffnungen und Erfahrungen von Gottes heilsamer Gegenwart unter uns Menschen begraben.

Aber das ist nicht das letzte Wort über Jesus Christus und auch nicht das letzte Wort über die Geschichte Gottes mit uns Menschen. Damit Menschen nicht ihr Vertrauen, ihr Hoffen und ihr Lieben unter Leid- und Todeserfahrungen begraben müssen, darum feiern wir diesen Gottesdienst und darum feiern wir das Jahr der Taufe.

„Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf“ (Matthäus 28,2) So beginnt das neue Kapitel der Geschichte Gottes für uns Menschen. Für Gott hatte der Tod nicht das letzte Wort. Der Grabstein Jesu wurde zur Kanzel für den Engel des Herrn: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden!“ (Matthäus 28,5f).

Das, liebe Gemeinde, ist der Kern des Evangeliums, damals vor fast 2000 Jahren in Jerusalem und heute hier in Meinerzhagen. Und das ist auch Grund und Begründung für unser Taufen und für unser „Jahr der Taufe“: Der Gekreuzigte ist auferstanden! Jesus Christus lebt und hat uns seinen Beistand zugesagt bis an der Welt Ende. Die Erfahrungen von Gottes heilsamer Gegenwart in unserer Welt sind nicht begraben. Unsere Hoffnungen auf Gottes heilsame Gegenwart in unserem Leben laufen nicht ins Leere, auch wenn Kummer, Leid und Tod nach uns greifen.

Einige Jünger sehen... und zweifeln

Der Evangelist Matthäus erzählt, dass der Engel des Herrn die Frauen und Jünger nach Galiläa schickte, um dort dem Auferstandenen zu begegnen. Nach Galiläa, wo der Gottessohn sie die Nachfolge lehrte, in seiner Bergpredigt zum Beispiel. Nach Galiläa, wo Jesus Kranke und zerbrochene Gemeinschaft heilte, wo er über das Verstehen Gottes und seiner Gebote lehrte und auch stritt. Nach Galiläa, wo Jesus den Anbruch des Gottesreiches lebte und predigte. In Galiläa begegnen die Jünger nun dem Auferstandenen und einige der Jünger sehen und zweifeln!

Erstaunlich, aber doch wohltuend, dass der Evangelist Matthäus uns auch davon berichtet: Selbst für Jesu Zeitgenossen, selbst für die Männer und Frauen, die Jesus direkt begegneten, die den Gottessohn direkt sehen und hören und anfassen konnten, selbst für diese Menschen gibt es keinen zweifelsfreien Glauben. Glaube ist auch für getaufte Christenmenschen nicht ein fester, unangreifbarer Besitz. Glaube ist ein Weg, der Höhen und Tiefen kennt, dem auch Sackgassen und Irrwege nicht fremd sind. Glaube umschließt immer auch Unglaube, Fragen und Zweifel.

Unser Gottvertrauen kämpft immer wieder neu mit Ängsten, Misstrauen und Enttäuschungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Glauben nicht allein leben. Wir brauchen die Gemeinschaft der Glaubenden, wir brauchen Eltern und Paten, Freunde und Freundinnen, die unseren Glauben stärken, die für uns da sind und für uns beten. Darum knüpft die Taufe nicht nur ein Band zwischen dem Täufling und Gott, sondern auch ein Band zwischen dem Täufling und der christlichen Gemeinde.

"Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden"

In Galiläa gibt der Auferstandene seinen Jüngern einen einzigartigen Auftrag. Einen Auftrag, dessen Erfüllung weltweite christliche Gemeinschaft gestiftet hat. Einen Auftrag, dessen Erfüllung 2000 Jahre Kirchengeschichte geschrieben hat. Hören wir noch einmal die Worte, die der Auferstandene zu ihnen sprach: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Mit einer stark klingenden Feststellung begründet der Auferstandene seinen weltweiten Missions- und Taufbefehl: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Macht, das hatte doch seinerzeit auch der Teufel anzubieten. Unterwerfung und Anbetung des Teufels gegen Macht über die Reiche der Welt. Das war eine Macht, die gar nicht gut klang. Sie klang nach Ausbeutung, Versklavung und Krieg. Es war die Macht des Todes, die der Teufel bot. Jesus ist dieser Versuchung nicht erlegen. Jetzt steht er in Galiläa, gezeichnet mit den Wundmalen der Kreuzigung, gezeichnet von Leiden und Sterben, und kann von sich sagen: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden!“

Die von Gott gegebene Macht schenkte Jesus Kraft und Vertrauen, die Liebe durchzuhalten, auch im Leiden und Sterben. Sie bricht sogar den Bann des Todes. Sie ist die Macht des Lebens. Dieser Macht Gottes vertrauen wir uns an durch unser Taufen. Diese Macht Gottes bewahrt uns zwar nicht vor irdischem Leiden, und auch der Tod greift noch nach uns. Aber sie hüllt uns ein in die Gewissheit: Alles irdische Leiden und auch der Tod sind begrenzt. Gottes Macht ist stärker als alle Todesmächte dieser Welt.

Menschenliebe und Menschennähe für alle Welt

Im Vertrauen, dass diese Macht Gottes für uns und für alle Menschen in Jesus Christus erfahrbar und wirksam ist, können wir trotz aller Todesmächte glauben, hoffen und lieben! Darum lassen wir uns von dem auferstandenen Christus beauftragen und gehen hin, um allen Völkern das Evangelium in Wort und Tat zu predigen und sie zur Jüngerschaft einzuladen. Denn wir sind gewiss: Der eine und einzige Gott hat in Jesus Christus seine Menschenliebe und Menschennähe für alle Welt offenbart.

Darum lassen wir uns von dem auferstandenen Christus beauftragen und gehen hin, um große und kleine Menschen zu taufen: auf den Namen Gottes, des Schöpfers allen Lebens und des Vaters aller Menschen, auf den Namen des Sohnes Jesus Christus, in dem für alle Menschen Gottes unzerstörbare Lebensmacht offenbart ist und auf den Namen des Heiligen Geistes, der jeden und jede Einzelne das ewige Gottesreich schon jetzt in der noch unerlösten Welt erfahren lässt.

Denn wir sind gewiss: Die Taufe ist das vom Auferstandenen gestiftete Band, das Menschen mit Gott und untereinander im Glauben verbindet. Darum lassen wir uns vom auferstandenen Christus beauftragen und gehen hin, um für ein L eben zu werben, das die Lehre Jesu hält und seinem Lebensvorbild nachgeht. Denn wir sind gewiss: In der Nachfolge Jesu Christi kann menschliches Leben gelingen, was immer es an guten und an schweren Zeiten bereit hält. Jüngerschaft, Taufe, Lehre – dieser Dreiklang stimmt das Lied des Reiches Gottes schon jetzt an. Dafür verbürgt sich der Auferstandene selbst. Er sagt uns zu: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Amen