Eigentlich sieht es in Waldemar Köhlers kleinem Reich nicht besonders stimmungsvoll aus. Der Eingang zu seinem Laden befindet sich in einem Freiburger Hinterhof am Ende einer langen Reihe von Garagentoren. Drinnen brennt Neonlicht. Doch Köhler genügen drei Körner getrocknetes Harz, um den kargen Raum in eine kleine Kirche zu verwandeln. Drei Körner, Feuer und etwas Kohle - und es riecht nach Weihrauch.
"Beim Weihrauch ist es wie mit dem Wein. Man muss sich ein bisschen damit auskennen, um zu wissen, was gut ist", sagt er. "Gloria hell" heißt die Sorte, die Köhler gerade verbrennt und die er als "mild und lieblich" bezeichnet. Köhler hat noch 21 weitere Arten von Weihrauch im Sortiment, sie tragen Namen wie "Vatikan", "Angelus" oder "Arabisch Dunkel". Verfeinert sind sie mit Duftstoffen wie Sandelholz oder Thymian, manche bestehen aus purem Weihrauchharz.
Vom Schwiegervater übernommen
In Südbaden ist Köhler mit seinem Geschäft praktisch Monopolist, er versorgt Privatleute und Kirchen mit Weihrauch. Zahlen will er nicht nennen, das gehört sich bei Kirchen nicht, findet er. "Aber ich habe Kunden von Karlsruhe bis Lörrach und zum Bodensee." Seit über 50 Jahren gibt es "Köhler Kirchenbedarf". Den Laden übernahm Köhler einst von seinem Schwiegervater.
In Somalia und Eritrea wachsen die Weihrauchbäume, deren Harz Köhler bezieht - nicht etwa in Plantagen, sondern wild. Einheimische Sammler schneiden sie auf, lassen ihr Harz gerinnen und verkaufen es weiter an Zwischenhändler. Schließlich landet das Harz in den Niederlanden, wo es granuliert wird, danach geht es direkt zu Köhler. "Wenn das Harz vom Baum kommt, ist es noch sehr grob. Es würde in der Kirche viel zu lange dauern, es anzuzünden", sagt er.
Früher bestand Köhlers Kundschaft fast ausschließlich aus Vertretern der katholischen Kirche, in deren Liturgie Weihrauch eine zentrale Rolle spielt, etwa im Stundengebet oder der Messe. In den letzten Jahren hat Köhler aber eine Veränderung der Klientel registriert: Weihrauch wird zunehmend zum Lifestyle-Accessoire, die Kunden sind oft jünger und nicht unbedingt gläubig.
Gegen böse Geister
"Weihrauch benutzt heute jeder", sagt Köhler. Manchmal habe das Interesse auch etwas mit Esoterik-Gläubigkeit zu tun. So kam eine Kundin in den Laden, weil sie überzeugt war, zu Hause böse Geister zu haben. "Die war der Meinung, die Geister nur mit Weihrauch vertreiben zu können. Ich habe nichts dazu gesagt", sagt der Ladeninhaber.
Eines Kommentars enthält sich Köhler auch bei Besuchen von todkranken Menschen oder ihren Angehörigen. Weihrauch kann Atemwegserkrankungen heilen, sagen Heilpraktiker, deswegen kommen auch öfter verzweifelte Menschen in sein Geschäft und kaufen eine Packung von dem kostbaren Duft. Nur wenige kommen ein zweites Mal. "Das kann aber auch daran liegen, dass eine Packung Weihrauch lange vorhält."
Überhaupt kein Interesse an Weihrauch hat ein ganz anderer Teil seiner Kundschaft: Vor allem junge Leute sind es, die nach nichts anderem als Kohle verlangen. Dazu muss man wissen, dass die Kohle, die es im Laden gibt, mit Magnesium versetzt ist - das macht sie besonders handlich und sehr effektiv. "Die benutzen die Kohle für ihre Wasserpfeifen", sagt Köhler und schmunzelt.